Unerwartetes
Wiedersehen
Archery
rannte, als wenn der Teufel hinter ihr her wäre. Sie eilte durch
enge Gassen und über breite Straßen, doch jedes mal, wenn sie einen
Blick über ihre Schulter warf, kam es ihr so vor, als wäre die Elfe
hinter der nächsten Ecke. Sie musste sich einmal blitzartig ducken,
um einem gepanzerten Handschuh zu entkommen, welcher wie aus dem
Nichts nach ihr griff. Es war, als wüssten ihre Verfolger genau wo
sie war, doch war es ihr ein Rätsel, wie sie überall um sie herum
auftauchen konnten. Sie kam schnaufend auf einem Marktplatz zum
stehen und sah sich um. Überall liefen Menschen und andere Wesen
durcheinander, boten brüllend ihre Waren feil, oder versuchten einen
guten Preis zu erhandeln. In all dem Trubel sollte sie sicher sein.
Archery
ging ein paar Schritte rückwärts, als zwei Hände sie sanft an den
Schultern berührten. Ihr Atem setzte einen Moment aus und sie
verfiel kurzzeitig in Schockstarre und dann war da Wärme. Die Angst
wich und sie fühlte sich von einem Moment auf den anderen geborgen.
„Bitte…“
die Stimme klang flehentlich… „lauf nicht weg. Ich werde dir kein
Leid zufügen.“
Archery
drehte sich langsam zu der Stimme um und sah in zwei Türkisgrüne
Augen.
Sie
verlor sich beinahe in der Tiefe dieser Augen und merkte beinahe
nicht, wie sich die Hände der Elfe von ihr lösten.
„Ich..
wollte dich nicht erschrecken.. ich sah nur diese Rune..“ sie
deutete auf Archery´s Wange.. „und..“ sie holte ein kleines
Medaillon unter ihrem Gewand hervor, in welches genau die selbe Rune
graviert war.
Eine einsame Träne kullerte ihre Wange hinunter.
„Ich
bin schon so lange auf der Suche… und.. ich war so voller
Hoffnung..“
Archery
unterbrach sie.
„Ihr
seid eigentlich wegen mir hier und seid auf etwas unerwartetes
gestoßen.“
Einen
zitternden Atemzug ausstoßend nickte die Elfe.
„Man
nennt mich Venexia.“ Sie verbeugte sich leicht vor Archery.
„Wo
sind eure beiden Begleiter? Der Krieger und die.. Blumenfrau?“
Venexia
lächelte.
„Meine
Begleiter, Gatame, ein Paladin des Lichts und Yoshi, eine Druidin,
machen die Tavernen der Stadt unsicher. Sie werden wieder zu uns
stoßen, wenn wir zur Festung aufbrechen, doch bis dahin würde ich
mich gerne mit dir unterhalten.“
Archery
schluckte.
„Nagut..“
piepste sie kleinlaut.
Venexia
legte Archery eine Hand auf den Rücken und führte sie mit
einladender Geste und freundlichen Lächeln in die nächste Taverne.
„Gebt
mir noch einen Krug davon!“ Rief Gatame, knallte seinen leeren Krug
auf den Tisch und Biss in eine Hühnerkeule. Yoshi starrte ihn
kopfschüttelnd an.
„Was
für eine Art Paladin seid ihr noch gleich?!“
Gatame
sah kauend von seinem Mahl auf.
„Wiefo?“
brachte er kauend heraus was Yoshi mit ein genervtes Augenrollen
beantwortete.
„Ihr
seid nur am Essen..“ Gatame rülpste laut.
„Nur
am Saufen..“ Er wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
„…
und
Manieren habt ihr auch keine! So hab ich mir einen Paladin nicht
vorgestellt!“
Die
Druidin verschränkte enttäuscht die Arme vor der Brust und sah
Gatame wütend schmollend an, welcher sichtlich irritiert wirkte.
„Wie
genau habt ihr euch einen Paladin vorgestellt?“
Sie
schlug frustriert mit der Hand auf den Tisch.
„Na..
nicht SO. Ein Paladin muss immer und zu jeder Zeit ein leuchtendes
Beispiel sein! Ein strahlender Ritter.. Ein Mann mit Etikette und
Edel und… ach…“
Er
nahm freudig strahlend einen neuen Krug Met entgegen, trank einen
Schluck und musterte dann seine Begleiterin.
„Nun..
ich BIN ein Paladin…, aber das was ihr beschreibt bin ich schon
lange nicht mehr!“
Seine
Laune verdunkelte sich merklich.
„Ich
kämpfe immer noch für die Schwachen! In mir strahlt immer noch das
Licht der Rechtschaffenheit!“ Sie sah ihn mit großen blauen Augen
an und strich sich eine verirrte pinke Locke aus dem Gesicht.
„..
aber ich werde für diese verkommenen Massen, welche sich nur um sich
selbst scheren und kein Funken von Dankbarkeit hervor bringen können
KEIN leuchtender Ritter mehr sein!“ Er gestikulierte wedelnd mit
einer Hand wie ein Adeliger vom Hofe.
Die
Ellenbogen auf dem Tisch legte Yoshi, wieder schmollend, ihren Kopf
in die Hände.
„Ich
hab mich so auf einen Paladin gefreut… und bekommen hab ich einen
Barbar… so wie die da drüben..“ Sie deutete auf eine Gruppe
großer tätowierter Krieger, welche sich ebenso benahmen wie Gatame.
Laut. Ungestüm. Und ohne Manieren.
Jene
Barbaren hatten das maulen der Druidin mitbekommen und hoben grölend
ihre Krüge den beiden entgegen. Gatame grölte zurück und bald
darauf saß er bei den Barbaren am Tisch, was in einem
Armdrückwettkampf endete.
Yoshi
schnaufte genervt und verließ die Taverne.
„Ihr
wart mit dem Ding zusammen?“ Archery sah Venexia ungläubig an.
„Wie funktioniert das?“ Venexia lächelte schwach und wehmütig.
„Er
war nicht immer dieses Ding. Vor zwanzig Jahren war er ein Mensch,
bis er von einem Dämon verflucht wurde.“ Archery nickte
verstehend.
„Ein
schwerer Kampf trennte uns und ich hielt ihn lange für tot, bis sich
der Teil seiner Seele, welcher mir gehört, regte.“ Sie hielt das
Medaillon hoch, welches sie ihr bereits auf dem Marktplatz gezeigt
hatte.
„Wie
kommt man in den Besitz einer Seele… oder einem Teil davon?“ Sie
sah die Elfe neugierig an, konnte sich aber denken darauf keine
Antwort zu erhalten.
„Naja…“
Venexia lächelte verlegen… „...es gibt viele Möglichkeiten…
eine davon hat mit Sex zu tun… aber das müssen wir jetzt nicht
weiter erörtern!“
„Verzeit..
ich wollte nicht..“ Archery brach mitten im Satz am und errötete
ein wenig.
„Mach
dir keine Gedanken Kind.. du kannst nichts dafür.“
Sie
schwiegen eine Weile in peinlicher Stille, bis Venexia diese wieder
durchbrach.
„Sag..
ist dir bewusst wer und was du bist?“
Archery
überlegte, wie sie darauf antworten sollte. Die Elfe wusste viel
über sie. Zu viel für ihren Geschmack und mehr als sie selbst.
„Wenn
ich den Barbaren glauben schenken darf, bin ich eine ihres Volkes.“
Sie richtete sich ein wenig auf und versuchte das selbe
Selbstvertrauen auszustrahlen wie die Krieger ihres Schutzherren.
Venexia verschluckte sich an ihrem Wein und hustete heftig.
„Wie
kommen sie darauf?“ brachte sich ächzend heraus.
Archery
zuckte mit den Schultern.
„Nun…
das würde erklären, warum du unter ihren Schutz stehst..“ sie
sahen beide überrascht auf, als die Druidin in die Taverne gestürmt
kam und ungefragt an ihren Tisch platz nahm. Sie funkelte die Elfe
böswillig an, welche ihrerseits fragen die Augenbrauen hob.
„Ihr
zieht das alles unnötig in die Länge! Wir haben das Mädchen, also
lasst uns gehen!“
Die
Elfe biss sich auf die Unterlippe und Archery gefror das Herz. War
sie naiv genug, um in eine Falle getappt zu sein?..
„Ich
kann nicht..“ Archery und die Druidin sahen Venexia überrascht an.
„WIE?
Ihr KÖNNT nicht??“ Eines der unteren Augenlider der Druidin begann
zu zucken.
„Er
ist hier.. ich kann nicht gehen.. nicht nach all den Mühen, welche
ich auf mich genommen hab, um ihn zu finden..“ Sie konnte ihr nicht
in die Augen sehen.
Archery
versuchte die Situation auszunutzen und rutschte langsam von ihrem
Stuhl, während die beiden so stark aufeinander konzentriert waren.
Die Druidin schnippte mit den Fingern und die Ranken einer
Schlingpflanze wuchsen zwischen den Fugen des Bretterbodens empor und
Fesselten Archery an ihren Stuhl. Mit wehendem Pinken Haar zuckte der
Kopf der Druidin zu ihr herum.
„Glaub
bloß nicht du könntest Yoshi davonlaufen Süße!“ Sie kniff
Archery in die Wange und sah wieder zu Venexia.
„Wie
er ist hier?“ Yoshi rutschte auf ihrem Stuhl näher an den Tisch
heran, wie ein aufgeregtes Kind. Ihr Mund stand offen und ihre Augen
schienen an Größe zugenommen zu haben. Das blau ihrer Iris schien
förmlich zu leuchten.
„Er
ist hier, mit einigen Angehörigen seines Volkes in..“ sie sah
fragen zu Archery rüber.
„In
der Burg“ ächzte sie, und wand sich in dem festen Griff der
Ranken.
Aus
irgendeinem unerklärlichen Grund schien das die Stimmung von Yoshi
aufzuhellen.
Sie
stand grinsend auf und klatschte in die Hände.
„Na
dann lasst und dort hin gehen!“ Sie streckte eine Hand nach Archery
aus und zog an den Ranken, welche sich vom Stuhl lösten nicht jedoch
von ihr selbst. Venexia erhob sich nur sehr zögerlich.
„Jetzt
kommt schon, oder muss ich den besoffenen Paladin schicken, um euch
zu holen?“
Die
Elfe machte große Augen und bewegte sich ein bisschen schneller.
„Wenn
wir jetzt zur Burg gehen, können wir dann dieses.. Zeug weg lassen?
Da wäre ich sowieso hin geflüchtet…“ Archery sah die beiden
flehend an und Venexia nickte. Ein neuerliches Fingerschnippen und
die Ranken fielen von Archery ab und verschwanden im Boden. Die
Druidin grinste sie höhnisch an, wohl wissend, das Archery ihr nicht
mehr entkommen kann. Sie verließen die Taverne und Schlugen ihren
Weg in Richtung Burg ein. Auf dem Weg dorthin stolperte Gatame
triumphierend grinsend aus einer anderen Taverne heraus und schloss
sich ihnen an. Er wog einen kleinen Lederbeutel in der Hand, aus dem
ein klimperndes Geräusch kam. Yoshi sah ihn wütend an.
„Ihr
seid einfach unmöglich!“ Sie sah beleidigt in eine andere Richtung
und ging etwas schneller. Er sah ihr irritiert nach und murmelte
etwas. Es klang wie „Weiber..“
Archery
wusste nicht, was sie über dieses Trio denken sollte. Sie wirkten
sehr chaotisch und unprofessionell auf sie. Vielleicht waren ihre
Chancen doch nicht so schlecht hier zu bleiben, als gegen ihren
Willen wieder ins Unbekannte gestoßen zu werden.
Sie
zuckte mit den Schultern und folgte der Druidin weiter in Richtung
Burg, die Elfe neben sich und den Paladin in ihrem Rücken. Je näher
sie der Burg kamen desto unruhiger wurde die Elfe und hinter den
Toren zog sie eine Kapuze, welche vorher nicht dagewesen schien, tief
ins Gesicht. Archery konnte ihren zitternden Atem hören.
Mittlerweile
hatte Archery die Führung der Gruppe übernommen, da ihre drei
Häscher zum einen nicht wussten, wo sie hin mussten und zum anderen
die Druidin an Venexia mehr ziehen musste, als das diese freiwillig
einen Fuß vor den anderen setzte.
„Vielleicht
war das doch keine so gute Idee… was wenn er mich nicht sehen
will?!“
Sie
schniefte ein wenig und Tränen standen ihr in den Augen, welche sie
mit ihren Ärmeln immer wieder weg tupfte.
„Hab
ich was verpasst?“ Der Paladin legte eine seiner Hände auf die
Schulter der Elfe und sah sie stirnrunzelnd an. Yoshi dagegen grinste
bis über beide Ohren wegs der Vorfreude auf dieses sich bietende
Schauspiel.
„Ihr
geliebter ist in dieser Burg und sie hat ihn seit zwanzig Jahren
nicht mehr gesehen. Ich könnte platzen vor Spannung was bei dem
wiedersehen passieren wird!“
„Hmm..“
Gatame kratzte sich am Kopf. „Seid ihr nicht gut auseinander
gegangen?“
Venexias
stimme war belegt und ihre Zunge fühlte sich schwer an.
„Naja…
um es kurz zu machen.. wir kämpften gegen einen Dämon, welcher ihn
verflucht hat und.. wir haben uns verloren.. ich dachte er wäre
tot..“
Er
kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe.
„Und
jetzt habt ihr Angst, dass er euch zum Teufel jagt!“ Es war keine
Frage. Nur ein Idiot konnte nicht erkennen, dass es der Elfe schlecht
ging. Sie nickte vorsichtig und tupfte sich erneut ein paar Tränen
weg.
„Ich
kann euch diese Last nicht abnehmen, aber ich versichere euch, dass
ihr euch auf ewig hassen werdet, wenn ihr jetzt umdreht!“ Die drei
sahen Archery überrascht an, welche für ihr junges alter ihnen so
eine einfache und doch wahre Weisheit präsentierte.
Sie
durchschritten ein großes Tor, welches offensichtlich nachträglich
in die Wand des Gebäudes eingebaut wurde blieben in einem langen,
breiten Gang stehen. Zwei Harrogathianer in schwerer Rüstung
versperrten ihnen den Weg und sahen die Gruppe misstrauisch an. Einer
von ihnen sprach Archery direkt an.
„Geht
es dir gut Mädchen? Wer sind die drei?“
„Dies
sind Angehörige vom Orden der Magier, aus Avalon.. sie wollen zum
Fürsten..“
Die
beiden Krieger mussten die Gruppe eindringlich. Sie murmelten und
diskutierten miteinander. Archery verstand ihre Sprache mittlerweile
gut genug, um zu wissen, dass der eine die drei gerne gleich
ausweiden würde, der andere dagegen schien das für keine gute Idee
zu halten und wollte der bitte der Gruppe lieber nachkommen.
„Ihr
könnte die drei durchlassen, schließlich sind schon andere ihres
Ordens hier in der Burg.. es würde keinen unterschied machen..“
Sie
sahen Archery an, nickten und ließen die Gruppe passieren.
Archery
führte die drei durch ein weiteres Tor hinter dem eine große Halle
wartete. Säulen stützen die Decke und ein großer Thron stand am
Ende der Halle, auf dem ihr Fürst saß. Er erhob sich und kam der
Gruppe mit langsamen Schritten und bedrohlicher Mine entgegen,
seinen Schlachthammer in den Händen, bereit die Magier auszulöschen.
Archery
konnte die Venexia nun schluchzen hören. Sie hob ihre Hände vor den
Mund und viel vor auf die Knie. Tränen, schwarz von der künstlichen
Farbe auf ihren Wimpern, liefen ihr die Wangen hinunter und tropften
geräuschlos zu Boden.
Der
Golem blieb stehen und legte fragend den Kopf zur Seite. Ein grollen
entstieg seiner Kehle.
„Erklär
mir dies Archery.“ Er zeigte auf die Elfe und schien sichtlich
irritiert zu sein.
Archery
wollte gerade etwas sagen, als Venexia mit zitternder Stimme ihr
zuvor kam.
„Es
ist so lange her… ich dachte du wärst tot..“
Der
Golem ging einen vorsichtigen Schritt zurück. Überraschung lag in
seinem Gesicht und er wirkte verunsichert.
„Ich
habe so lange nach dir gesucht..“ Venexia erhob sich zitternd.
„Eure
Stimme.. sie kommt mir bekannt vor..“ Er ließ sein Hammer so Boden
sinken und kam einen vorsichtigen Schritt auf Venexia zu. Archery
konnte den Paladin mit der Druidin tuscheln hören, da sie nicht
verstanden was die beiden sagten. Es überraschte sie selber, dass
Venexia Harrogaths Sprache beherrschte. Die Elfe holte ihr Medaillon
aus ihrem Gewand.
„Vor
vielen Jahren schenktest du mir einst dies.. in ewiger Liebe..“
ihre Stimme versagte.
Der
Golem ließ sich langsam auf ein Knie vor ihr sinken. Er hatte den
Atem angehalten und schob vorsichtig Venexias Kapuze zurück. Er
keuchte.
„Ve..venexia..“
Die Zeit schien still zu stehen, als sich die Blicke der beiden
trafen. Die anderen beiden hatten ebenfalls den Atem angehalten und
starrten gespannt und mit offenen Mündern auf die Elfe und den
Golem.
Er
schob ganz sanft seine Hände unter sie und hob sie auf Kopfhöhe
hoch.
„Ich
sehnte diesen Moment so sehr herbei und fürchtete mich gleichzeitig
davor…“ Venexia legte eine ihrer Hände an die Wange des Golems
und lächelte schwach.
Er
atmete zitternd aus.
„Jeder
Tag ohne dich fühlte sich an wie ein Zeitalter ohne freuden..“
Sie
schluchzte und legte ihre Stirn an die seine.