Posts by Mitkael

    Die Nacht im dunklen Wald


    Mitkael erwachte mit einem Keuchen. Der Traum hielt ihn noch immer gefangen, seine Brust hob und senkte sich schnell, und sein Herz schlug heftig. Der Dämon, das Feuer, die Dunkelheit – all das fühlte sich so real an, dass es ihm schwerfiel, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden.

    Die Höhle war still, bis auf das ferne Tropfen von Wasser. Der Mond schien durch einen schmalen Spalt im Gestein und ließ die Umgebung in einem fahlen Licht baden. Seine Gedanken waren ein Durcheinander, und das Bedürfnis nach frischer Luft war überwältigend. Er musste hier raus.


    Mit leisen Schritten zog er sich seine Schuhe an und schlich hinaus, die anderen wollten nicht gestört werden. Die Kühle der Nacht empfing ihn, und der Duft von Moos und feuchter Erde beruhigte ihn ein wenig.

    Mitkael rannte. Die Dunkelheit des Waldes umarmte ihn, doch sie konnte die Bilder seines Traums nicht verdrängen. Der brennende Thronsaal, die drohenden Worte des Dämons, die schmerzvolle Erinnerung an Fenric – all das nagte an ihm, zog ihn in eine Spirale aus Zweifel und Schmerz.

    Er wusste nicht, wie lange er schon lief, als ihn ein Geräusch aus seinen Gedanken riss. Ein leises Knacken, das sich in der Stille der Nacht wie ein Donnerschlag anfühlte. Mitkael blieb abrupt stehen, sein Atem ging schwer, und sein Blick huschte durch die Schatten.


    Dann sah er ihn. Kaelen stand dort, halb verborgen im Mondlicht. Sein Gesicht war hart, und seine Augen – sie waren kalt. Eiskalt. Der Blick eines Mannes, der keine Skrupel hatte, der etwas Dunkles in sich trug. Mitkael fröstelte, als er in diese Kälte sah, und für einen Moment fragte er sich, ob er Kaelen jemals wirklich gekannt hatte.

    „Kaelen?“ fragte er vorsichtig, seine Stimme zitterte leicht.


    Kaelen hob den Kopf, und der harte Ausdruck in seinen Augen blieb bestehen – nur für einen Herzschlag. Dann, als er Mitkael wirklich erkannte, als sich ihre Blicke trafen, veränderte sich etwas. Die Kälte schmolz dahin, und Mitkael sah wieder den Kaelen, den er kannte. Jenen, der ihn auf dieser Reise begleitet hatte, der ihn beschützte.

    Mitkaels Blick fiel auf die blutverschmierten Hände und die Schatten in Kaelens Gesicht.


    „Ein Spion“, sagte Kaelen knapp, bevor Mitkael fragen konnte. „Er hat uns beobachtet. Ich konnte es nicht riskieren, dass er zurückkehrt und berichtet.“

    Mitkael nickte langsam. Er hatte die Antwort geahnt, aber das machte es nicht leichter. „Du hattest keine Wahl“, murmelte er.

    Kaelen schüttelte kaum merklich den Kopf, sein Blick blieb ernst. „Es fühlt sich trotzdem falsch an.“


    Die Worte hingen schwer in der Luft. Mitkael suchte nach etwas zu sagen, etwas, das die Last, die sie beide spürten, erleichtern konnte, aber alles schien bedeutungslos. Schließlich brach Kaelen die Stille.

    „Du solltest zurückkommen, Mitkael. Es wird kalt.“

    Mitkael schüttelte den Kopf. „Ich bleibe noch ein wenig. Ich brauche... Zeit.“


    Kaelen zögerte, bevor er nickte. „Pass auf dich auf.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück zur Höhle.

    Mitkael blieb allein. Der Wald war still, abgesehen vom Rascheln der Blätter im leichten Nachtwind. Er ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm sinken und zog die Taschenuhr aus seiner Tasche.

    Das silberne Gehäuse glänzte matt im Mondlicht, und Mitkael strich mit den Fingern über die filigranen Verzierungen. Es war das einzige, was er noch von Fenric hatte – ein Teil seiner Vergangenheit, das ihm nichts über sich selbst verriet.

    Er öffnete die Uhr. Das leise Klicken klang in der Stille beinahe wie ein Donnerhall. Die Zeiger bewegten sich stetig, ein stiller Zeuge der Zeit, die an ihm vorbeizog, während er stehen geblieben war.

    „Wer warst du, Fenric?“ flüsterte Mitkael, seine Stimme bebte. „Was hast du für mich geopfert?“


    Die Erinnerung an Fenric war wie ein Schatten – greifbar und doch unerreichbar. Er fühlte die Liebe, die Fenric für ihn empfunden hatte, tief in seinem Inneren, doch es war wie ein Echo, das aus einer anderen Welt zu ihm drang.

    „Ich sollte mich erinnern“, sagte er leise zu sich selbst. „Ich sollte wissen, wer du warst, wer ich war...“

    Mitkael schloss die Uhr und legte sie in seine Hände, die Finger fest darum geschlossen, als könnte er durch sie Antworten erzwingen. Aber da war nur Stille – keine Erinnerungen, keine Gewissheit.

    Er hob den Blick zum Himmel, wo die Sterne wie scharfe Splitter in der Dunkelheit funkelten. „Wie soll ich all das tragen?“ flüsterte er. „Wie soll ich ein Prinz sein, wenn ich mich nicht einmal an mein Volk erinnere?“

    Die Stille antwortete nicht, und Mitkael ließ den Kopf sinken. Die Last seiner verlorenen Erinnerungen, seiner Verpflichtungen und seiner Gefühle für Fenric war erdrückend.


    Doch irgendwo, tief in ihm, spürte er, dass er nicht aufgeben durfte. Fenric hatte sein Leben für ihn geopfert, und Kaelen tat alles, um ihn zu schützen. Er konnte nicht einfach zerbrechen – nicht jetzt, wo so viel auf dem Spiel stand.

    Mit einem schweren Seufzen stand er auf. Die Uhr steckte er zurück in seine Tasche, und er wandte sich in Richtung der Höhle.

    Er war nicht bereit, sich seinen Dämonen zu stellen, aber er wusste, dass er es irgendwann tun musste.

    Und bis dahin blieb ihm nur, Schritt für Schritt weiterzugehen.


    Im Büro des ältesten die zweite


    Das erste Licht des Morgens fiel in die Höhle, ein fahler Schein, der durch schmale Öffnungen in den Wänden drang und das Dunkel nur zögerlich vertrieb. Mitkael öffnete die Augen, blinzelnd gegen die sanfte Helligkeit. Die Erinnerungen an die letzte Nacht waren noch frisch, doch er wusste, dass er sich der Gegenwart stellen musste.

    Er setzte sich auf, seine Bewegungen vorsichtig. Die Höhle war ungewohnt – kalt, feucht und irgendwie drückend. Mit einem leisen Seufzen zog er sich an, befestigte die Taschenuhr an seinem Gürtel und sammelte sich kurz, bevor er die kleine Kammer verließ.


    Die Gänge der Höhle waren fremd und labyrinthartig, und Mitkael konnte die Richtung nur erahnen. Er war erst seit einem Tag hier und hatte die Umgebung kaum erkundet. Sein Gang war langsam, und er war gezwungen, an einigen Abzweigungen stehen zu bleiben, um sich zu orientieren.

    Manchmal hörte er leises Murmeln oder Schritte, die in der Ferne verklangen. Es half ihm, die allgemeine Richtung zu bestimmen, aber die Ungewissheit nagte an ihm. Schließlich begegnete er einer jungen Frau, die einen Korb trug. Sie sah ihn neugierig an, aber bevor sie etwas sagen konnte, fragte er:


    „Wo finde ich den Ältesten? Ich... bin etwas verloren.“

    Die Frau deutete mit einem Kopfnicken auf einen Gang, der weiter rechts abzweigte. „Folgt diesem Weg, es ist nicht mehr weit.“

    Mit einem dankbaren Nicken setzte Mitkael seinen Weg fort, wobei er darauf achtete, sich die Abzweigung zu merken. Schließlich erreichte er den breiteren Gang, der zur Kammer des Ältesten führte. Hier war der Boden glatter, abgenutzt von unzähligen Schritten, und die Luft fühlte sich schwerer an.


    Er blieb kurz vor der Tür stehen, atmete tief durch und sammelte sich. Als er die Kammer betrat, sah er sie bereits dort stehen. Der Älteste, eine gebeugte Gestalt mit silbergrauen Haaren, saß hinter einem niedrigen Tisch, dessen Oberfläche von seltsamen Symbolen und Schriftrollen bedeckt war. Kaelen stand daneben, die Arme verschränkt, sein Blick aufmerksam.

    Mitkaels Blick begegnete Kaelens, und für einen Moment sah er die Schatten der Nacht wieder in seinen Augen – jene Kälte, die er gesehen hatte, bevor sie verschwunden war. Doch jetzt lag etwas anderes in Kaelens Miene, etwas Wachsamkeit und eine Spur von Sorge.


    „Ihr seid spät“, sagte der Älteste, seine Stimme ruhig, aber durchdringend.

    Mitkael schüttelte leicht den Kopf, zog die Tür hinter sich zu und trat näher. „Verzeihung, ich... hatte einiges, worüber ich nachdenken musste.“

    Der Älteste nickte langsam, als ob er mehr verstand, als Mitkael preisgab. „Das Ritual, das du suchst, ist kein einfaches Unterfangen, Mitkael. Es wird Antworten geben – doch sie könnten dich ebenso belasten wie erleuchten.“

    Mitkael schluckte schwer und warf einen Blick zu Kaelen, der wortlos blieb, ihm aber ein fast unmerkliches Nicken gab. Es war genug, um ihm ein wenig Mut zu geben.


    „Ich muss es wissen“, sagte Mitkael schließlich, seine Stimme entschlossen, auch wenn sie leise war. „Wenn ich die Last eines Prinzen tragen soll, wenn ich mein Volk schützen soll, dann brauche ich diese Antworten.“

    Der Älteste musterte ihn lange, sein Blick wie ein Gewicht auf Mitkaels Schultern. Dann lehnte er sich zurück, faltete die Hände vor sich und sprach: „Dann lasst uns keine Zeit verschwenden. Es gibt viel vorzubereiten, und die Zeit wartet auf niemanden – nicht einmal auf ihre eigenen Nachfolger.“

    Das Licht in der Höhle flackerte, als die magischen Glyphen auf dem Boden des Ritualkreises langsam zu leuchten begannen. Der Raum war erfüllt von einer unheimlichen Stille, die nur durch das Knistern der Energie unterbrochen wurde, die sich um Mitkael und Kaelen sammelte.


    Der Älteste stand am Rand des Kreises, seine Stimme tief und beschwörend, während er die letzten Worte der Beschwörungsformel sprach. „Möge der Nachfolger des Engels der Zeit seine Bürde erkennen und möge die Wahrheit sich offenbaren.“

    Mitkael und Kaelen saßen im Zentrum des Kreises, ihre Knie fast einander berührend. Mitkaels Hände lagen auf seinen Oberschenkeln, doch er spürte, wie sie zitterten. Die Taschenuhr, die er bei sich trug, begann plötzlich schwer zu werden, als ob sie auf das Ritual reagierte. Kaelens Blick war fest, sein Gesicht von einer konzentrierten Ruhe gezeichnet, doch in seinen Augen lag eine Spur von Unsicherheit, die er nicht zeigen wollte.

    „Bist du bereit?“ fragte Kaelen leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.Mitkael nickte, obwohl sein Herz wild in seiner Brust pochte. „So bereit, wie ich sein kann.“




    Die Energie um sie herum wuchs, ein sanftes Brummen, das sich langsam zu einem dröhnenden Crescendo steigerte. Die Glyphen auf dem Boden leuchteten in einem tiefen Goldton, und plötzlich fühlte es sich an, als würde der Boden unter ihnen nachgeben. Mitkael spürte, wie sein Körper schwer wurde, und für einen Moment schien die Welt um ihn herum zu zerbrechen.

    Dann war da nur noch Dunkelheit.


    Als Mitkael die Augen öffnete, war die Höhle verschwunden. Stattdessen fand er sich in einer seltsamen, nebulösen Landschaft wieder. Alles um ihn herum war in dichten, grauen Nebel gehüllt, der wie lebendig schien, sich bewegte und wogte, als wäre er selbst ein Wesen. Der Boden unter seinen Füßen war fest, doch er konnte keine Struktur erkennen, als ob er auf einer unsichtbaren Ebene stand.

    „Kaelen?“ rief Mitkael, seine Stimme hallte auf seltsame Weise.


    „Ich bin hier.“ Kaelens Stimme kam von rechts, und als Mitkael sich drehte, sah er ihn, nur wenige Schritte entfernt. Kaelens Haltung war angespannt, seine Augen durchdrangen den Nebel, als suchten sie nach einer unsichtbaren Bedrohung.

    „Wo sind wir?“ fragte Mitkael, während er sich näher an Kaelen stellte.

    Kaelen schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber ich bezweifle, dass wir allein sind.“


    Kaum hatte er die Worte gesprochen, begann sich der Nebel vor ihnen zu verdichten. Die schwachen Schatten, die zuvor ungreifbar schienen, nahmen plötzlich eine Form an. Eine dunkle Silhouette, groß und bedrohlich, tauchte aus dem Nichts auf.

    Der Nebel um sie herum lichtete sich, und aus der dichten, grauen Masse trat eine schlanke, hochgewachsene Gestalt hervor. Zwei elegant geschwungene Hörner krönten sein Haupt, und seine goldenen Augen schienen wie kleine Sonnen in der trüben Umgebung zu leuchten. Razareths Bewegungen waren geschmeidig, fast katzenhaft, während er näher trat. Sein Auftreten strahlte eine gefährliche Eleganz aus, die sowohl faszinierend als auch beunruhigend war.

    Kaelen spannte sich sofort an, und seine Hand wanderte instinktiv zum Griff seines Schwertes. Doch Razareth schien dies nicht zu bemerken – oder er ignorierte es absichtlich. Stattdessen wanderte sein Blick über Kaelen, und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen.


    „Nun, nun,“ sagte Razareth, seine Stimme tief und schmeichelnd. „Was haben wir denn hier? So viel Zorn und Misstrauen in einem so schönen Gesicht.“

    Mitkael spürte die Spannung zwischen den beiden und räusperte sich, um Razareths Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Wer bist du?“ fragte er mit ruhiger, aber fester Stimme.

    Razareth wandte sich ihm zu, und sein Lächeln wurde weicher. „Ah, der Prinz von Arkadon,“ sagte er, als hätte er es schon immer gewusst. „Ich bin Razareth, der Wächter der Zeit.“

    Kaelen schnaubte verächtlich. „Ein Wächter? Du bist ein Dämon. Die Wächter waren reine Wesen, keine Kreaturen der Dunkelheit wie du.“


    Razareths goldene Augen glitzerten amüsiert. „Ach, die alten Vorurteile,“ sagte er und hob eine Hand in einer theatralischen Geste. „Wie erfrischend, sie wiederzuhören. Aber du irrst dich, mein schöner Krieger. Die Wächter wurden nicht nach ihrer Rasse oder ihrer Reinheit ausgewählt, sondern nach ihrer Stärke und ihrem Willen. Engel, Menschen und Dämonen – alle drei Rassen haben Wächter hervorgebracht. Ich bin der lebende Beweis dafür.“

    Kaelen ballte die Fäuste, doch Mitkael trat einen Schritt nach vorne und stellte eine Frage, bevor die Spannung eskalieren konnte. „Wenn du wirklich der Wächter der Zeit bist, warum bist du hier? Und warum wurden wir zu dir gebracht?“

    Razareths Blick ruhte kurz auf Mitkael, bevor er sich wieder Kaelen zuwandte, als könne er nicht widerstehen. „Immer so ernst, ihr Sterblichen,“ sagte er mit einem Seufzen. „Aber gut. Ich werde euch erklären, warum ihr hier seid.“

    Er trat einen Schritt zurück, und der Nebel schien sich um ihn zu winden, als wäre er ein Teil von ihm. „Der Nachfolger meiner Macht ist bereits ausgewählt,“ erklärte Razareth. „Doch er kann nicht erwachen. Sein Geist ist gebunden – an ein Artefakt.“

    „Gebunden?“ fragte Mitkael.


    Razareth nickte langsam, seine Haltung wieder ernst. „Ja. Eine alte, grausame Magie hält ihn gefangen. Und um ihn zu befreien, muss ein anderes Artefakt zerstört werden – eines, das mit seiner Bindung verknüpft ist. Doch Vorsicht: Dieses Artefakt wird bewacht. Nicht von einem Dämon wie mir, sondern von etwas viel Gefährlicherem.“

    Kaelen verschränkte die Arme und musterte Razareth skeptisch. „Warum erzählst du uns das? Wenn du wirklich ein Wächter bist, warum löst du das Problem nicht selbst?“

    Razareth senkte kurz den Blick, und in seinen goldenen Augen schien ein Funken Trauer auf. „Lange Zeit war ich gefangen in meiner eigenen Trauer,“ sagte er ruhig, und seine Stimme trug einen schweren Klang. „Die Gefahr kam leise, beinahe unmerklich. Und als sie schließlich vor mir stand, war es bereits zu spät, um zu handeln. Der Dämon, der das Artefakt in seinem Besitz trägt, ist nicht wie andere. Durch das Artefakt ist er immun gegen meine Macht.“

    Kaelen kniff die Augen zusammen. „Also bist du hilflos?“

    Razareth hob eine Hand, als wollte er das Wort „hilflos“ abwehren. „Hilflos? Nein, das wäre zu einfach. Aber ja, ich kann nicht eingreifen, solange das Artefakt in seinen Händen liegt. Die Magie des Artefakts schützt ihn, macht ihn gegen meine Fähigkeiten und meine Magie unempfindlich.“


    „Das Artefakt...“ Razareths Stimme war sanft, fast hypnotisch, doch sie trug eine Schärfe in sich, die nicht überhört werden konnte. „Es befindet sich in Arkadon, Prinz Mitkael. In der Heimat deiner Vorfahren, an einem Ort, der tief in deiner Geschichte verankert ist.“

    Mitkael spürte, wie ihm das Herz schwer wurde. Arkadon. Der Name fühlte sich fremd und zugleich vertraut an, wie ein verlorenes Lied, dessen Melodie er fast erkennen konnte.

    „Aber,“ fuhr Razareth fort, „bevor du auch nur daran denken kannst, das Artefakt zu erreichen, musst du dich deiner Vergangenheit stellen. Es gibt keine andere Möglichkeit, keine Abkürzungen. Du wirst nach Selvanor gehen müssen, Prinz. Dort liegt der Schlüssel – oder besser gesagt, die Krone.“


    Mitkaels Kehle wurde trocken. „Die Krone des Königs Thalamor?“ Seine Stimme klang brüchig, als die Worte seine Lippen verließen.

    Razareth nickte, und in seinen gelben Augen funkelte ein rätselhaftes Leuchten. „Ja. Die Krone, ein Symbol des alten Verrats und des vergessenen Königtums. Sie muss zerstört werden, um dich von den Ketten der Vergangenheit zu befreien. Nur dann wirst du stark genug sein, um Arkadon und das Artefakt zu erreichen.“

    Mitkael öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch er fand keine Worte. Der Gedanke, sich seiner Vergangenheit zu stellen – einer Vergangenheit, die ihm wie ein düsteres Geheimnis erschien – erfüllte ihn mit einem Unbehagen, das schwer zu ignorieren war.


    Razareth trat einen Schritt näher, sein Blick eindringlich. „Es wird nicht leicht sein. Doch wahre Stärke zeigt sich nicht im Kampf, sondern in der Fähigkeit, das Richtige zu tun, auch wenn es gegen alles geht, was du bist. Das ist es, was dich zu einem Anführer macht, Mitkael.“

    Er hielt inne, sein Blick glitt zu Kaelen, der regungslos und angespannt in der Dunkelheit stand. Ein schmales, vieldeutiges Lächeln umspielte Razareths Lippen. „Wie bei deinem Kriegerfreund hier. Er tat, was notwendig war, nicht wahr? Einen feindlichen Spion zu foltern, obwohl es gegen seine Natur ging. Solch... Entschlossenheit finde ich äußerst anziehend.“

    Kaelen hielt Razareths Blick stand, doch Mitkael konnte die Anspannung in seinen Schultern sehen, das stumme Zucken seines Kiefers.


    Razareth wandte sich wieder Mitkael zu. „Gehe nach Selvanor. Finde die Krone, zerstöre sie, und stelle dich der Wahrheit, die dich dort erwartet. Nur dann wirst du deinen Weg nach Arkadon ebnen können.“

    Der Nebel begann sich zu verdichten, Razareths Gestalt verblasste allmählich. Doch bevor er verschwand, neigte er leicht den Kopf und sprach mit einer Stimme, die sich wie ein Flüstern in Mitkaels Geist brannte: „Wir werden uns wiedersehen, Prinz. Und vielleicht, wenn die Zeit reif ist, wird sich zeigen, ob du wirklich derjenige bist, für den Fenric sein Leben geopfert hat.“

    Mitkaels Herz setzte aus, als Razareth den Namen aussprach – Fenric. Ein Name, der wie ein Echo durch seinen Verstand hallte und eine Flut von Erinnerungen, Bildern und Gefühlen in ihm auslöste. Sein Atem beschleunigte sich, und in seinen Gedanken schossen tausend Fragen auf:


    Woher weiß Razareth von Fenric? Was hat er mit ihm zu tun? Hat Fenric ihm etwas hinterlassen?

    Seine Lippen öffneten sich, bereit, die erste Frage hervorzustoßen, doch bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, trat Razareth näher. Der Dämon hob langsam eine Hand und legte einen kalten, langen Finger auf Mitkaels Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.


    „Nicht jetzt, Prinz Mitkael,“ sagte Razareth leise, seine Stimme ein dunkles Wispern, das durch die Nacht glitt. „Mit der Zeit kommt auch das Wissen. Doch jetzt... bist du nicht bereit.“

    Mitkael spürte, wie der Kloß in seiner Kehle wuchs, wie die Fragen, die ihn fast überwältigten, ihm den Atem nahmen. Doch Razareths Blick ließ keinen Raum für Widerworte. Es war, als ob der Dämon seine Gedanken las, als ob er genau wusste, was Mitkael sagen wollte – und ihn bewusst daran hinderte.


    Der Nebel begann, Razareths Gestalt zu verschlucken, seine Umrisse wurden undeutlich. Doch bevor er endgültig verschwand, sprach er noch einmal, seine Stimme kaum mehr als ein Windhauch:

    „Geduld, Prinz. Alles, was du suchst, wird sich dir offenbaren, wenn die Zeit reif ist.“

    Und dann war er weg.


    Mitkael blieb zurück, der Nachhall des Namens Fenric in seinem Geist dröhnend. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, während er in die Leere starrte, wo Razareth gestanden hatte. Die Unruhe in ihm war fast unerträglich, und doch konnte er nichts tun.

    Nur warten. Warten auf Antworten, die ihm die Zeit bringen würde. Doch die Last dieser Geduld fühlte sich an wie ein weiterer Fluch.


    Weinachtsgeschichte Letzter Teil


    Die Trainingshalle war erfüllt vom Echo klingender Schwerter, das gegen die hohen, steinernen Wände prallte. Mitkael bewegte sich mit präziser, beinahe mechanischer Eleganz, jeder Schlag seiner Klinge war perfekt ausgeführt, jeder Block mühelos. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, und sein Atem ging schwer, doch er ließ nicht nach.

    Fenric stand am Rand der Halle, lehnte sich an eine Säule und beobachtete ihn schweigend. Er wusste, dass Mitkael sich keine Pausen gönnte – schon seit Stunden trainierte er, getrieben von einem Druck, den Fenric nur allzu gut kannte.

    Mitkael ließ das Schwert ein letztes Mal mit einem kraftvollen Schwung durch die Luft sausen, bevor er es in den Boden rammte und sich mit beiden Händen darauf stützte. „Noch einmal,“ keuchte er, doch seine Beine zitterten bereits.

    „Das reicht, Mitkael,“ sagte Fenric ruhig, trat vor und blickte ihn mit ernster Miene an.


    „Nein, es reicht noch nicht,“ widersprach Mitkael, seine Stimme entschlossen, doch mit einem Hauch von Erschöpfung. „Ich muss besser werden. Stark genug, um...“

    „Um was?“ unterbrach Fenric ihn und verschränkte die Arme. „Um dich selbst zu zerstören?“


    Mitkael funkelte ihn an, doch Fenric ließ sich nicht beirren. „Du bist müde, Mitkael. Du kannst nicht alles gleichzeitig schaffen. Erst Schwerttraining, und jetzt willst du auch noch Magie üben? Du wirst dich selbst in den Boden arbeiten.“

    „Ich habe keine Wahl,“ erwiderte Mitkael scharf, hob das Schwert und ging an Fenric vorbei. „Wenn ich nicht trainiere, bin ich nicht bereit. Und wenn ich nicht bereit bin, wird alles zusammenbrechen.“


    Fenric folgte ihm aus der Halle hinaus in den angrenzenden Raum, der für das Magietraining vorgesehen war. Es war ein kalter, unpersönlicher Ort, gefüllt mit alten Büchern, leeren Zielscheiben und leuchtenden Kristallen, die in metallenen Halterungen schwebten.

    Mitkael stellte sich in die Mitte des Raumes und hob die Hände. Seine Finger begannen leicht zu glühen, ein grünlicher Schimmer flackerte auf, doch er zitterte. Er biss die Zähne zusammen, schloss die Augen und versuchte, die Magie zu lenken.

    „Mitkael, hör auf,“ sagte Fenric eindringlich, trat näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du bist zu erschöpft.“


    Mitkael schüttelte den Kopf, ignorierte ihn. „Ich muss es können,“ flüsterte er, doch seine Stimme war von Verzweiflung durchdrungen. Er versuchte es erneut, doch die Magie entzog sich ihm. Der Schimmer erlosch, und Mitkael ließ die Hände sinken, seine Schultern sackten herab.

    „Ich kann nicht!“ schrie er plötzlich, seine Stimme hallte durch den Raum. Er drehte sich zu Fenric um, seine Augen voller Tränen. „Ich bin nicht gut genug, Fenric. Nicht stark genug. Nicht klug genug. Ich bin ein Versager!“

    Fenric sah ihn an, seine eigene Brust zog sich bei Mitkaels Worten zusammen. „Mitkael, das bist du nicht,“ sagte er leise, trat einen Schritt näher.


    Doch Mitkael wich zurück, rieb sich über das Gesicht, als wolle er die Tränen verbergen. „Du verstehst es nicht. Jeder erwartet, dass ich alles bin. Der Krieger, der Stratege, der Magier. Aber ich kann nicht alles sein! Ich bin nicht genug!“

    In diesem Moment brach etwas in Mitkael. Seine Knie gaben nach, und er sank zu Boden, die Hände vor das Gesicht geschlagen. „Ich kann nicht... ich schaffe das nicht,“ flüsterte er, seine Worte erstickten im Schluchzen.

    Fenric kniete sich vor ihn, zog ihn ohne zu zögern in eine Umarmung. „Mitkael, hör mir zu,“ sagte er sanft, seine Stimme voller Wärme. „Du bist nicht allein. Du musst das nicht alles alleine tragen.“

    „Aber wer sonst?“ Mitkael sah ihn mit verweinten Augen an. „Wer, wenn nicht ich?“


    „Ich,“ antwortete Fenric, ohne zu zögern. „Ich bin hier, Mitkael. Ich werde dich nicht verlassen. Und wenn die Welt zu schwer wird, dann werde ich sie für dich tragen. Zumindest ein Stück.“

    Mitkael ließ sich gegen Fenric sinken, sein Schluchzen wurde leiser, und die Wärme von Fenrics Nähe gab ihm Trost. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde,“ flüsterte er schließlich.

    „Du musst es nicht herausfinden,“ erwiderte Fenric und strich ihm beruhigend über den Rücken. „Denn ich bin hier. Für immer.“

    Sie blieben so sitzen, während die Zeit um sie herum stillstand. Es gab keine Anforderungen, keine Erwartungen, keine Welt, die auf Mitkaels Schultern lastete – nur sie beide, in diesem Moment der Ruhe und des Trostes.

    Weinachtsspezial 2


    Der große Speisesaal des Schlosses war festlich geschmückt. Girlanden aus goldenen und silbernen Bändern hingen von den Deckenbalken, und ein mächtiger Baum stand in der Ecke, geschmückt mit funkelnden Edelsteinen, die das Licht der Kerzen reflektierten. Der Duft von Zimt, Nelken und frischem Gebäck erfüllte den Raum.

    Mitkael saß zwischen seinem Vater, dem König, und seinem ältesten Bruder Alaric. Fenric hatte sich gerade gesetzt, nachdem er mit einem entschuldigenden Lächeln seine Verspätung eingeräumt hatte. Der König nickte ihm kaum merklich zu, während Alaric einen skeptischen Blick auf ihn warf, bevor er sich wieder seinem Teller widmete. Evalis, der mittlere Bruder, beobachtete das Ganze mit einem Hauch von Belustigung.


    Am anderen Ende des Tisches saß Fenrics Familie – seine Mutter, elegant und würdevoll, sein Vater, dessen Haltung Autorität und Strenge ausstrahlte, und Fenric selbst, der trotz der formellen Kleidung eine gewisse Lockerheit ausstrahlte. Die Gespräche waren höflich, aber hauptsächlich von den älteren Generationen dominiert. Der König und Fenrics Vater vertieften sich bald in eine Diskussion über politische Allianzen und neue Handelswege.

    „Das Volk wird von den jüngsten Entscheidungen der Krone profitieren“, sagte der König mit einem Hauch von Stolz in der Stimme. „Stärke ist der Schlüssel zu Stabilität.“


    Fenrics Vater neigte den Kopf leicht. „Das mag sein, Majestät, aber Stärke darf nicht auf Kosten der Zufriedenheit des Volkes gehen. Einige Veränderungen werden bereits kritisch betrachtet.“

    Die Atmosphäre am Tisch veränderte sich merklich. Die Stiefmutter von Mitkael, die neben dem König saß, schnitt mit messerscharfer Stimme dazwischen: „Der Pöbel versteht die wahren Beweggründe nicht. Es ist nicht ihre Aufgabe, zu urteilen, sondern zu folgen.“


    Mitkael spürte, wie sich seine Nackenmuskeln anspannten, doch er sagte nichts. Sein Blick glitt zu Fenric, der ebenfalls das Gespräch aufmerksam verfolgte. Fenrics Gesicht war neutral, doch seine Augen verrieten Unbehagen.

    Evalis, der still zugehört hatte, ließ ein leises, beinahe spöttisches Lachen hören. „Interessant. Stärke durch Kontrolle, Zufriedenheit durch Nachsicht – und doch bleibt die Frage, was für ein König die beste Balance finden kann.“

    „Nur einer, der stark genug ist, Entscheidungen zu treffen, ohne von Emotionen oder Schwäche beeinflusst zu werden“, sagte Alaric mit Nachdruck. Seine Augen funkelten herausfordernd, während er Mitkael kurz ansah.

    Mitkael erwiderte den Blick ruhig, ohne ein Wort zu verlieren. Doch Fenric, der den Moment nicht eskalieren lassen wollte, lenkte das Gespräch geschickt um. „Majestät,“ sagte er höflich an den König gewandt, „die Vorbereitungen für das Winterfest scheinen beeindruckend. Mein Kompliment an die Organisatoren – und natürlich an Ihre Majestät.“


    Der König musterte Fenric kurz, bevor er mit einem kurzen Nicken antwortete. „In der Tat. Es ist ein Fest, das den Wohlstand unseres Reiches widerspiegeln soll.“

    Die angespannte Stimmung löste sich ein wenig, als die Gespräche sich wieder in weniger heikle Bahnen bewegten. Dennoch blieb in der Luft ein Hauch von unausgesprochenem Konflikt – eine Spannung, die Fenric und Mitkael beide spürten, auch wenn sie nichts sagten.


    Der Speisesaal war fast leer, nur die drei Prinzen saßen noch am Tisch. Alaric hatte sich zurückgelehnt und spielte mit einem Kelch, während Evalis aufmerksam Mitkael beobachtete, der still aß und versuchte, Alarics spöttische Blicke zu ignorieren.

    „Also, Brüder,“ begann Alaric, „habt ihr gehört? Der Rat hat tatsächlich diesem unsäglichen Gesetz zugestimmt. Gleichgeschlechtliche Ehen, ganz offiziell. Was für ein Irrsinn.“

    Mitkael hielt inne, seine Gabel schwebte über seinem Teller. „Es ist kein Irrsinn,“ sagte er ruhig, aber mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Es ist...“


    „Lass mich raten,“ schnitt Alaric scharf ein, „du findest es gut, nicht wahr? Vielleicht träumst du sogar davon, dass du eines Tages einer unserer großen Krieger heiratest um ihm als seine kleine Hure dienen zukönnen?“

    Mitkaels Griff um das Besteck wurde fester, und er öffnete den Mund, um zu antworten. Doch bevor er ein Wort herausbrachte, hob Evalis die Hand und sprach schnell dazwischen: „Alaric, mein lieber Bruder, kannst du für einen Moment aufhören, dich wie ein beleidigter alter Patriarch aufzuführen?“


    „Evalis,“ zischte Alaric und wandte sich ihm zu, „dies ist eine ernste Angelegenheit. Es geht um die Zukunft des Königreichs. Wir können keine Traditionen brechen, nur weil ein paar sentimentale Träumer das wollen.“

    „Traditionen,“ murmelte Evalis sarkastisch. „Wie die Tradition, die dich in deiner Kindheit dazu gebracht hat, jedes Mal zu weinen, wenn Vater dir das Schwert aus der Hand nahm?“

    Alaric funkelte ihn an, aber Evalis fuhr unbeeindruckt fort. „Weißt du, manchmal frage ich mich, ob du bewusst provozierst oder ob das einfach deine natürliche Gabe ist.“


    Mitkael ließ sein Besteck sinken und wollte erneut etwas sagen, doch Evalis hob nur leicht eine Braue in seine Richtung, ein subtiler Hinweis, den Mund zu halten.

    Alaric ignorierte Evalis' Bemerkungen und beugte sich nach vorne, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. „Ach übrigens, Mitkael...“ Er deutete auf die leicht sichtbaren Male an Mitkaels Hals. „Wen hast du dir letzte Nacht ausgesucht? Eine der Dienerinnen? Oder vielleicht einen von den Wachen? Es scheint, als wärst du etwas... unvorsichtig gewesen.“


    Die Wut flammte in Mitkael auf. Sein Blick verfinsterte sich, und er begann sich zu erheben, um etwas zu erwidern, doch bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, fiel Evalis ihm ins Wort.

    „Interessant, Alaric,“ sagte er süffisant und lehnte sich zurück, „dass du dich so detailliert mit den Angewohnheiten deines jüngeren Bruders beschäftigst. Könnte man meinen, du hast ein bisschen... Neid in dir?“

    „Neid?“ Alaric lachte bitter auf. „Auf was denn? Auf sein Mitleid für den Pöbel oder darauf, dass er es nötig hat, seine Position auszunutzen, um die schwache Position einer Frau im Bett zu spielen?“


    Evalis grinste süffisant. „Oh, Alaric, manche von uns ziehen es vor, echte Zuneigung zu erleben, statt ihre Macht zu nutzen, um die Angestellten zu... sagen wir mal, ‚überzeugen‘. Aber ich verstehe, dass du mit diesem Konzept vielleicht nicht so vertraut bist.“


    Mitkael setzte sich wieder, seine Fäuste unter dem Tisch geballt. Evalis’ Worte hatten Alaric eindeutig getroffen, was dessen versteinerte Miene bewies.

    „Pass lieber auf, Evalis,“ knurrte Alaric und erhob sich langsam. „Dein Sarkasmus wird dich eines Tages in Schwierigkeiten bringen.“


    „Vielleicht,“ erwiderte Evalis mit einem unschuldigen Lächeln. „Aber bis dahin werde ich ihn weiterhin mit Vergnügen nutzen. Ach, und übrigens...“ Er drehte sich zu Mitkael und zwinkerte. „Das nächste Mal solltest du wirklich etwas vorsichtiger sein. Nicht alle von uns haben das Glück, Bissspuren als Zeichen der Zuneigung tragen zu dürfen.“

    Alaric schnaubte abfällig, drehte sich um und verließ den Raum.

    Mitkael sah Evalis an und ließ endlich einen tiefen Atemzug los. „Danke,“ murmelte er.

    „Keine Ursache, Bruder.“ Evalis grinste. „Aber wirklich – pass auf, was du sagst. Nicht, dass Alaric noch auf die Idee kommt, mehr zu hinterfragen, als ihm guttut.“

    Weinachtsspezial - 56 Jahre vor dem Erwachen von Mitkael



    Es war der 25. Dezember, und der königliche Palast von Arkadon war erfüllt von festlicher Stimmung. Die weitläufigen Hallen waren geschmückt mit goldenen Girlanden, tiefgrünen Tannenzweigen und funkelnden Kerzen, die in silbernen Leuchtern brannten. Der Duft von Zimt, Nelken und frisch gebackenem Brot zog durch die Luft, während die Diener eifrig hin und her eilten, um die letzten Vorbereitungen für das Weihnachtsfest zu treffen.

    Mitkael stand auf einem der Balkone, die über die verschneiten Gärten des Palastes blickten. Der frostige Wind zupfte an seinem Umhang, doch er spürte die Kälte kaum. Seine Gedanken waren bei Fenric. Ein ganzer Monat war vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, und obwohl Mitkael tief in sein Training als Schwertkämpfer und die Aufgaben als zukünftiger König vertieft war, hatte er Fenric schmerzlich vermisst.


    Fenric hatte wichtige Verpflichtungen im Fürstentum seines Vaters, und auch er war unablässig beschäftigt gewesen. Mitkael hatte mehrfach daran gedacht, Fenric zu besuchen, doch seine eigenen Pflichten hatten ihm keinen Freiraum gelassen. Heute jedoch sollte alles anders sein. Heute würden sie endlich wieder zusammen sein.

    Der Schnee fiel leise, und die Zeit schien stillzustehen, als Mitkael in die Ferne blickte. Die Einfahrt zum Palast war noch leer, doch jeden Moment konnte Fenrics Kutsche erscheinen. Sein Herz schlug schneller bei dem Gedanken, Fenrics vertrautes Lächeln wiederzusehen, seine ruhige Stimme zu hören und die Wärme seiner Nähe zu spüren.


    Als das Geräusch von Hufen und Rädern in der Ferne ertönte, wandte Mitkael den Blick zur Einfahrt. Dort, durch den wirbelnden Schnee, sah er die schwarze Kutsche mit den Wappen des Fürstentums, die sich langsam näherte. Sein Herz machte einen kleinen Sprung, und ohne zu zögern eilte er durch die Hallen des Palastes zur großen Eingangshalle.

    Die Türen wurden geöffnet, und der eisige Wind strömte herein, doch Mitkael spürte nur die Wärme, die sich in seinem Inneren ausbreitete. Fenric stieg aus der Kutsche, gehüllt in einen schweren, dunkelblauen Mantel, der den Schnee von seinen Schultern abwehrte. Sein Gesicht war von der Kälte gerötet, doch sein Lächeln war strahlend wie immer.

    „Mitkael!“ Fenric breitete die Arme aus, und bevor er etwas sagen konnte, hatte Mitkael ihn bereits umarmt. Für einen Moment vergaß er die Etikette, die Erwartungen und alles andere – es zählte nur dieser Moment.


    „Ich habe dich vermisst, Fenric,“ sagte Mitkael leise, und seine Stimme war von einer Mischung aus Freude und Erleichterung erfüllt.

    „Ich dich auch,“ erwiderte Fenric. „Es ist gut, endlich wieder hier zu sein.“

    Gemeinsam gingen sie in die Wärme des Palastes, wo Diener bereitstanden, um Fenrics Mantel entgegenzunehmen und ihm einen warmen Trunk anzubieten. Doch Mitkael führte ihn direkt in die privaten Gemächer, weg von der formellen Atmosphäre der Feierlichkeiten.


    In Mitkaels Zimmer, das mit Kerzenlicht erhellt und von einem prasselnden Kaminfeuer gewärmt wurde, setzten sie sich zusammen. Der Abend verging wie im Flug, während sie über die vergangenen Wochen sprachen, Erinnerungen austauschten und einfach die Gesellschaft des anderen genossen.

    Als die Uhr Mitternacht schlug, schenkte Mitkael Fenric ein kleines, in rotes Samt gewickeltes Päckchen. Darin befand sich ein filigran gearbeiteter Anhänger in Form eines Schwertes – ein Zeichen ihrer Verbundenheit und ein Symbol für Mitkaels Wunsch, Fenric immer beschützen zu können.

    „Frohe Weihnachten, Fenric,“ sagte Mitkael mit einem sanften Lächeln.


    „Frohe Weihnachten, Mitkael,“ erwiderte Fenric und drückte den Anhänger fest in seiner Hand, bevor er Mitkael in die Augen sah. „Ich wünschte, jeder Tag könnte so sein wie heute.“

    Und für einen Moment schien es, als könnte die Welt, so kompliziert sie auch war, diesen Frieden bewahren.

    Die Flammen im Kamin warfen flackernde Schatten an die Wände, und das sanfte Licht der Kerzen tauchte den Raum in eine warme, goldene Atmosphäre. Mitkael und Fenric saßen nah beieinander, ihre Knie berührten sich, und für einen Moment war die Welt außerhalb dieser vier Wände vergessen.


    Fenric hielt den Anhänger noch immer in seiner Hand, sein Daumen strich langsam über das filigrane Schwert. Sein Blick war sanft, aber in seinen Augen lag eine Intensität, die Mitkael tief berührte.

    „Mitkael,“ sagte Fenric leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Du weißt, dass du mir mehr bedeutest, als ich jemals in Worte fassen könnte, oder?“

    Mitkael schluckte und nickte. „Ich weiß. Und du bist für mich genauso wichtig. Mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte.“

    Fenric lächelte, und in einer sanften, fast unmerklichen Bewegung legte er seine Hand auf Mitkaels Wange. Die Berührung war warm, vertraut, und Mitkael lehnte sich leicht dagegen, seine Augen schlossen sich für einen Moment.


    „Ich habe dich vermisst,“ flüsterte Fenric und beugte sich vor. Ihre Lippen trafen sich, und der Kuss war sanft und zögerlich, als ob sie beide den Moment auskosten wollten. Doch mit jedem Herzschlag wurde der Kuss intensiver, leidenschaftlicher, bis Mitkael seine Arme um Fenric schlang und ihn näher zu sich zog.

    Die Welt verschwamm, und alles, was zählte, war die Nähe, die Wärme und das Gefühl, endlich wieder zusammen zu sein. Fenric zog Mitkael vorsichtig auf das Bett, ihre Bewegungen blieben zärtlich, doch in der Luft lag ein unausgesprochenes Verlangen.


    „Mitkael,“ murmelte Fenric, seine Lippen dicht an Mitkaels Ohr, während seine Finger durch Mitkaels helles Haar glitten. „Bist du sicher?“

    Mitkael öffnete die Augen und sah Fenric an. In seinem Blick lag keine Unsicherheit, nur tiefe Zuneigung. „Ja. Mit dir bin ich mir immer sicher.“

    Ihre Hände fanden einander, und die Stunden vergingen, während sie sich in ihrer Zweisamkeit verloren. Sie entdeckten einander neu, zärtlich und doch voller Leidenschaft, und jeder Moment fühlte sich an wie ein Versprechen, das keine Worte benötigte.

    Die ersten Strahlen der Morgensonne drangen durch die Vorhänge und tauchten das Zimmer in ein sanftes, goldenes Licht. Fenric zog die Bettdecke ein Stück höher, als Mitkael neben ihm leise auflachte.


    „Wir sollten aufstehen,“ sagte Mitkael und stützte sich auf einen Ellbogen. Seine blonden Haare lagen zerzaust über seine Stirn, doch sein Lächeln war entspannt und glücklich.

    „Oder wir bleiben einfach liegen,“ murmelte Fenric und zog Mitkael wieder zu sich.

    „Das wäre schön, aber du weißt, dass wir irgendwann runter müssen,“ erwiderte Mitkael und strich Fenric sanft über die Wange, bevor er sich widerwillig erhob.

    Nach einigem Zögern zogen sich beide an. Fenric warf immer wieder einen Blick zu Mitkael, der gerade sein Hemd zuknöpfte, und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Doch sobald sie fertig waren, wurde Fenric ernst.

    „Ich gehe zuerst,“ flüsterte er. „Es gehört sich nicht, dass man uns... zusammen sieht.“

    Mitkael seufzte, doch er nickte. „Schon gut. Ich werde ein paar Minuten warten.“


    Fenric schlich zur Tür und öffnete sie vorsichtig, bevor er hinaustrat. Gerade als er die Tür hinter sich schloss, hörte er ein amüsiertes Räuspern.

    Fenric schluckte schwer, als er Evalis gegenüberstand. Der ältere Prinz strahlte die typische Selbstsicherheit eines Mitglieds der königlichen Familie aus, doch in seinen goldbraunen Augen lag keine Boshaftigkeit, sondern eine Spur von Amüsement – und etwas, das wie ehrliches Interesse wirkte.

    „Ihr seht nervös aus, Fenric,“ bemerkte Evalis, während er langsam den Kopf schüttelte. „Entspannt euch. Wenn ich ein Problem mit eurer... Beziehung zu meinem Bruder hätte, hättet ihr es längst gemerkt.“


    Fenric entspannte sich ein wenig, auch wenn sein Herz immer noch schneller schlug. „Ich danke Euch für Euer Verständnis, Hoheit,“ sagte er leise.

    Evalis hob eine Augenbraue. „Evalis reicht völlig. Nach allem, was ich gehört habe, seid ihr längst Teil der Familie.“

    Fenrics Augen weiteten sich leicht, doch Evalis lächelte nur und fuhr fort: „Ich beobachte Mitkael schon lange. Er ist... besonders. Ihr wisst das besser als jeder andere. Er ist nicht wie ich oder unser ältester Bruder. Mitkael trägt die Last unserer Familie schwerer, als er zugeben würde.“


    Fenric nickte langsam. „Er ist ein guter Mensch, Evalis. Ehrlich, stark und... mitfühlend. Manchmal zu sehr.“

    Evalis schnaubte amüsiert. „Das stimmt. Deshalb braucht er jemanden wie euch an seiner Seite. Jemanden, der ihn nicht nur liebt, sondern ihm auch Halt gibt. Ich habe gesehen, wie er aufblüht, wenn ihr in seiner Nähe seid. Ihr bringt eine Stabilität in sein Leben, die weder unser Vater noch ich ihm geben können.“

    Fenric spürte, wie seine Anspannung langsam wich, und er wagte es, ein kleines Lächeln zu zeigen. „Ich werde immer für ihn da sein. Das verspreche ich.“

    Evalis verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. „Das glaube ich euch. Aber seid vorsichtig, Fenric. Ihr wisst, wie unser Vater ist. Er wird nicht zögern, eure Beziehung gegen euch beide zu verwenden, wenn es ihm nützt.“


    Fenric nickte ernst. „Ich bin mir dessen bewusst. Aber ich werde alles tun, um Mitkael zu schützen.“

    Evalis betrachtete ihn einen Moment lang schweigend, dann lächelte er breit. „Das wollte ich hören. Wisst ihr, ich mag euch wirklich, Fenric. Ihr seid kein Hofintrigant, und ihr wollt nichts von Mitkael außer... nun ja, ihn selbst. Das ist selten in unserer Welt. Deshalb hoffe ich, dass ihr noch lange an seiner Seite bleibt.“

    Fenric errötete leicht, aber er hielt Evalis’ Blick stand. „Danke, Evalis. Das bedeutet mir viel.“


    Evalis trat einen Schritt zurück und klopfte Fenric leicht auf die Schulter. „Nun, genug der ernsten Worte. Ihr solltet zum Frühstück gehen, bevor unser ältester Bruder euch findet. Er ist nicht ganz so... liberal wie ich.“

    Fenric schmunzelte und verbeugte sich knapp. „Ich werde vorsichtig sein.“

    Evalis zwinkerte ihm zu. „Tut das. Und Fenric?“

    Fenric hielt inne und sah ihn fragend an.

    „Macht meinen kleinen Bruder glücklich. Er hat es verdient.“


    Evalis war schon ein paar Schritte gegangen, als er abrupt stehen blieb und sich noch einmal zu Fenric umdrehte. Sein Gesicht zeigte ein freches Grinsen, das Fenric nicht gerade beruhigte.

    „Ach, Fenric,“ begann Evalis mit gespielter Unschuld in der Stimme. „Ein kleiner Rat, wenn ihr erlaubt.“

    Fenric blinzelte, offensichtlich nicht sicher, was jetzt kommen würde. „Natürlich, Evalis.“

    „Ihr solltet darauf achten, Mitkael nicht zu viele... sichtbare Erinnerungen an eure gemeinsame Zeit zu hinterlassen.“ Evalis’ Grinsen wurde breiter. „Ihr wisst schon, Bissspuren oder andere Zeichen. Ihr macht es dem Hof sonst zu leicht, eins und eins zusammenzuzählen. Und zwischen uns – ein Prinz von Arkadon kann es sich im Bett nicht leisten, die Kontrolle abzugeben.“

    Fenric wurde augenblicklich rot, und seine Augen weiteten sich vor Schock. „Ich... äh... das...!“


    Evalis lachte herzlich, sein Lachen hallte durch den Flur. „Keine Sorge, ich verrate nichts. Aber Mitkael wird euch danken, wenn er beim Frühstück nicht alle Blicke auf sich zieht, weil jemand neugierig wird.“

    Fenric brachte nur ein leises Murmeln zustande, das möglicherweise als Zustimmung gemeint war, während Evalis ihn schelmisch anlächelte. „Ihr macht das schon, Fenric,“ sagte Evalis schließlich mit einem Augenzwinkern. „Und wenn nicht, bin ich mir sicher, dass ihr eine kreative Ausrede finden werdet.“


    Mit einem letzten, neckischen Lächeln drehte sich Evalis endgültig um und ging davon, während Fenric mit hochrotem Kopf und einem Mix aus Scham und Belustigung stehen blieb.

    „Ein Prinz von Arkadon kann es sich nicht leisten, die Kontrolle abzugeben,“ murmelte Fenric leise zu sich selbst und schüttelte den Kopf. „Wirklich, Evalis...“

    Doch trotz des Moments musste Fenric zugeben, dass der ältere Prinz nicht ganz unrecht hatte – zumindest in Bezug auf die sichtbaren Zeichen.



    Mit einem warmen Lächeln drehte sich Evalis um und ging den Flur hinunter, während Fenric noch einen Moment stehen blieb, bevor er tief durchatmete und sich auf den Weg zu seinem Zimmer macht, um seine Klamotten nochmal ordentlich zu richten und dann in den Speisesaal geht, wo Mitkael bereits auf ihn wartete.

    Der Traum von Mitkael



    Mitkael schlief tief, doch der Schlaf war nicht ruhig. Stattdessen wurden seine Träume von flimmernden Szenen durchzogen, die wie zerbrochene Spiegelbilder in seinem Geist auftauchten, chaotisch und doch so vertraut. Es war, als ob seine Vergangenheit ihn mit einer Wucht überrollte, die er nie erwartet hatte.


    Die erste Szene war verschwommen, wie aus einem Nebel. Zwei kleine Kinder standen sich gegenüber, ihre Augen unschuldig, aber voller Neugier. Einer von ihnen war Mitkael – noch ein Junge, kaum älter als sechs Jahre alt. Der andere war Fenric, damals noch ein schüchterner kleiner Junge, der an seinem leuchtend grünen Umhang zupfte. Sie standen im Garten des Palastes von Arkadon, umgeben von duftenden Blumen und üppigem Grün.

    „Bist du der Prinz?“ fragte Fenric, seine Stimme war neugierig, aber auch etwas zögerlich.


    Mitkael nickte, seine Augen musterten den anderen Jungen. „Ja. Und du bist der Sohn von... von Lord Arlen, oder?“

    Fenric nickte. „Ja. Aber du bist der Prinz. Du bist der nächste König, oder?“ Er stellte die Frage unschuldig, als ob er schon damals wusste, dass Mitkael vor einer Wahl stand, die er noch nicht verstehen konnte.

    „Vielleicht,“ sagte Mitkael, die Antwort war mehr eine Frage, als ein festes Versprechen.


    Der Traum wechselte plötzlich, und Mitkael fand sich auf dem riesigen goldenen Baum wieder, den er sich in all den Jahren nie vergessen konnte. Fenric kletterte flink vor ihm, seine Bewegungen sicher, als würde er diesen Baum schon ewig kennen. Mitkael folgte ihm, seine kleinen Hände um die glänzenden Äste klammernd. Der Baum war majestätisch und unendlich hoch, und das sanfte Schimmern der goldenen Blätter erleuchtete die Nacht.

    „Komm schon, Mitkael, du kannst es schaffen!“ rief Fenric von oben, sein Lächeln strahlte in der Dunkelheit.


    Mitkael blickte nach oben und sah, wie Fenric ihm seine Hand entgegenstreckte, ein Angebot, das mehr war als nur ein Zeichen von Freundschaft. Es war ein Versprechen – ein Versprechen von Vertrauen und Unterstützung. „Du wirst nicht alleine sein,“ flüsterte Fenric, und seine Stimme war wie Musik in Mitkaels Ohren.

    Mitkael griff nach der Hand, und als ihre Finger sich berührten, fühlte er ein Zucken tief in seiner Brust. Er zog Fenric ein Stück näher und sah ihm tief in die Augen. „Du auch nicht,“ flüsterte er zurück, seine Stimme beinahe zögerlich. „Mein kleiner Wolf.“


    Fenric sah ihn verwirrt an, die Stirn leicht gerunzelt. „Mein kleiner... Wolf?“ fragte er, die Worte ungläubig und voller Fragezeichen.

    Mitkael schüttelte leicht den Kopf, ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. „Ja,“ antwortete er leise, „mein kleiner Wolf. Du bist nie allein, Fenric. Nicht wirklich.“


    Für einen Moment schwiegen beide, und Fenric blinzelte, als ob er versuchte, den Spitznamen zu verstehen, der ihm so neu war. Doch dann, als wäre es keine Frage mehr, beugte sich Mitkael vor, und in der Stille der Nacht, unter dem leuchtenden Sternenhimmel, küsste er Fenric. Es war ein Kuss, sanft und gleichzeitig mit einer Dringlichkeit, die Fenric wie ein Strom durchströmte.

    Fenric gab sich dem Kuss vollkommen hin, die Welt um sie herum verschwand. Es gab nur noch sie, nur noch den Moment, der für immer in der Erinnerung eingeschrieben war. Als sie sich schließlich voneinander lösten, sahen sie sich einen Augenblick lang nur an – zwei Kinder, die ihre eigenen Geheimnisse, ihre Ängste und ihre Liebe in diesem einen Augenblick teilten.


    Doch der Traum zog sich weiter, und Mitkael fand sich plötzlich in der prunkvollen Trainingshalle von Arkadon wieder. Er stand vor seinem Vater, der Zorn in seinen Augen hatte. „Du wirst der nächste König sein, Mitkael! Du hast keine Wahl, du musst es tun!“ brüllte der König, seine Stimme hallte in der großen Halle wider.

    „Ich will nicht König werden,“ entgegnete Mitkael, seine Stimme fest, aber mit einem Hauch von Angst. „Ich will... ich will anders leben. Ich will meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich will nicht nur ein Symbol von Macht sein.“

    Der König sah ihn mit kaltem Blick an. „Du hast keine Wahl. Du bist der dritte Prinz. Du musst deinen Platz einnehmen.“


    Mitkael spürte die Wut in sich aufsteigen, und in einem Moment der Verzweiflung stürmte er aus der Halle. Doch der Streit hallte weiter in seinem Geist nach, und die Erinnerung daran nagte an ihm, immer wieder.

    Der Traum zog sich weiter, und Mitkael fand sich plötzlich in der brennenden Thronehalle wieder. Das Feuer hatte alles verschlungen, und der Thronsaal war von einer schwarzen Rauchwolke durchzogen. Doch mitten im Chaos stand etwas Dunkles, etwas, das er nicht vollständig begreifen konnte. Ein Schatten, der sich wie ein Dämon bewegte, seine Augen rot und glühend.


    Mitkael wusste, was dieser Schatten bedeutete. Der Dämon, der das Königreich Arkadon bedrohte, stand nun vor ihm. Doch als er sich dem Schatten näherte, sah er nicht nur die Bedrohung – er sah auch sich selbst, in einem Spiegel, der alles verzerrte. Der Dämon war ein Teil von ihm, ein Teil seiner Vergangenheit, den er nie hätte verstehen können.

    „Du bist nicht der, der du zu sein glaubst,“ flüsterte der Dämon mit einer Stimme, die in Mitkaels Kopf widerhallte. „Du wirst in Dunkelheit verfallen, so wie es dein Vater tat.“

    Mitkael versuchte, sich von dem Schatten zu befreien, doch er spürte, wie die Dunkelheit immer näher kam, ihn verschlang.


    Doch inmitten des Schattens fühlte er auch eine Wärme – eine Hand, die ihn berührte. Fenric. Der Name klang wie ein Ruf in seinem Inneren. Mitkael wollte sich umdrehen, wollte diese Hand ergreifen, doch der Traum zerbrach, und der Dämon verschwand in den Flammen.

    Mitkael erwachte schweißgebadet in der Dunkelheit. Der Raum war still, doch in seinem Herzen pochte die Erinnerung an all das, was er gesehen hatte. Die Vergangenheit war ein undurchdringlicher Nebel, und jedes Stück, das er zu verstehen glaubte, entglitt ihm wieder.


    Fenric – der goldene Baum – der Kuss und die Liebe, die in den Sternen verankert war. Doch auch der Dämon, der Schatten seines Vaters, der Kampf, den er führen musste.

    Er wusste, dass der Weg vor ihm nicht einfach war, aber er konnte nicht zurück. Nicht mehr.

    Der Älteste und der Engel der Zeit


    „Der Älteste wird hier sein,“ sagte Kaelen leise und schob die massive Holztür auf.

    Drinnen saß ein Mann von beeindruckender Würde. Sein schneeweißes Haar rahmte ein Gesicht, das von tiefen Falten gezeichnet war, Zeugnis eines Lebens voller Herausforderungen. Doch seine Augen – klar und wachsam – verrieten einen Geist, der nichts Wesentliches übersah.

    „Kaelen,“ sagte der Alte mit einer rauen, aber freundlichen Stimme. „Ihr seid zurück. Und Ihr habt ihn gefunden.“

    Kaelen neigte respektvoll den Kopf. „Ja, Ältester. Das ist Mitkael. Ich glaube, er ist...“


    Der Alte hob die Hand, eine sanfte, doch entschlossene Geste, die Kaelen zum Schweigen brachte. Sein Blick richtete sich fest auf Mitkael, als ob er ihn durchschauen könnte. „Die Symbole an Euren Armen... habt Ihr sie gesehen?“

    Mitkael nickte langsam. „Ja, für einen Moment. Es geschah, als ich durch diese Taschenuhr eine Erinnerung erlebte.“

    Die Brauen des Alten hoben sich leicht, ein Hauch von Neugier trat in seinen Blick. „Eine Erinnerung? Erzählt mir, was Ihr gesehen habt.“

    Mitkael berichtete von der Wiese, dem strahlenden Baum mit den goldenen Blättern und den beiden Jugendlichen. Seine Stimme wurde brüchig, als er die Worte des blonden Jungen erwähnte: „Mein kleiner Wolf.“


    Der Älteste hörte aufmerksam zu, seine Augen wurden nachdenklich, als Mitkael endete. Nach einer langen Pause sprach er schließlich: „Diese Uhr, die Ihr bei Euch tragt, ist kein gewöhnlicher Gegenstand. Sie gehört zu den mächtigsten Artefakten, die je erschaffen wurden – ein Engelsartefakt. Solche Objekte sind mit der Magie des Engels verbunden, der sie einst schuf. Eure Taschenuhr ist durchdrungen von der Magie des Engels der Zeit.“

    Mitkael runzelte die Stirn. „Der Engel der Zeit?“

    Der Alte nickte. „Vor langer Zeit wandelte dieser Engel auf unserer Welt. Er war ein Hüter des Gleichgewichts, ein Wesen, das die Grenzen von Raum und Zeit durchschreiten konnte. Doch wie alle Engel ist auch er längst gestorben. Seine Macht lebt jedoch weiter – in Artefakten wie dieser Uhr. Und in seinem Nachfolger, falls es einen gibt.“


    „Sein Nachfolger?“ Mitkael spürte, wie sich ein Knoten in seiner Brust bildete.

    „Ja,“ bestätigte der Älteste. „Wenn ein Engel stirbt, wird seine Macht an einen neuen Träger weitergegeben. Sollte der Nachfolger des Engels der Zeit existieren, dann teilt er dieselbe Magie, die auch in dieser Uhr ruht. Diese Verbindung könnte genutzt werden, um ihn aufzuspüren.“


    Ein Funken Hoffnung blitzte in Mitkaels Augen auf. „Ihr meint, ich könnte den Nachfolger finden?“

    Der Alte zögerte, sein Blick wurde ernster. „Es ist möglich, aber äußerst schwierig. Ein solches Ritual erfordert eine enorme Menge an Magie – und die Fähigkeiten eines erfahrenen Magiers.“

    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Kaelen. „Ihr seid ein talentierter Magier, das weiß ich. Doch selbst Ihr habt nicht genug Kraft, um diese Aufgabe allein zu bewältigen.“

    Kaelen neigte leicht den Kopf, die Schwere der Worte des Alten spiegelte sich in seinen Augen wider. „Was bedeutet das?“


    Der Älteste schaute wieder zu Mitkael. „Die fehlende Kraft könnte von ihm kommen. Die Symbole, die Ihr gesehen habt, und die Verbindung zur Uhr – sie deuten darauf hin, dass in Euch selbst etwas von dieser Magie ruht. Mitkael, Ihr besitzt möglicherweise die Energie, die Kaelen für den Zauber benötigt. Doch...“

    Er hielt inne, seine Stimme wurde leiser, eindringlicher. „Ein solcher Zauber ist gefährlich. Die Magie eines Engels ist unberechenbar, besonders wenn sie von jemandem kanalisiert wird, der ihre volle Natur nicht kennt. Wenn etwas schiefläuft, könnte es Euch beide zerstören.“


    Mitkael schluckte schwer, seine Hand schloss sich um die Taschenuhr. „Aber wenn wir es nicht versuchen... könnte ich Fenric nie zurückholen. Könnte ich nie die Antworten finden, die ich suche.“

    Kaelen trat einen Schritt näher, seine Augen suchten Mitkaels Blick. „Das Risiko ist hoch, das stimmt. Aber ich werde an Eurer Seite stehen. Zusammen könnten wir es schaffen.“

    Der Älteste betrachtete die beiden schweigend, bevor er langsam nickte. „Wenn Ihr Euch entscheidet, dies zu tun, werde ich Euch so gut ich kann vorbereiten. Doch denkt gut darüber nach, was Ihr riskiert – und was Ihr bereit seid zu opfern.“

    Mitkael sah Kaelen an, und für einen Moment war die Welt still. Hoffnung, Angst und Entschlossenheit flammten in seinen Augen auf, als er schließlich leise, aber fest sprach: „Ich bin bereit.“

    Der Älteste musterte Mitkael eindringlich, bevor er sprach. „Für heute solltet Ihr ruhen. Eure Reise war lang, und der Zauber, den Ihr wirken wollt, wird Eure gesamte Kraft fordern.“

    Mitkael wollte widersprechen, doch eine plötzliche Schwere in seinen Gliedern machte ihm klar, dass der Alte recht hatte. Die Anspannung der letzten Stunden fiel von ihm ab wie eine schwere Decke, und sein Körper begann, die Erschöpfung einzufordern, die er so lange ignoriert hatte.

    Kaelen trat an seine Seite. „Kommt. Ich bringe Euch zu einem Platz, an dem Ihr Euch ausruhen könnt.“


    Später am Abend saßen Mitkael und Kaelen an einem langen Holztisch, der einfach, aber robust war. Eine Schüssel mit Eintopf stand vor Mitkael, der Duft von Kräutern und frischem Brot stieg ihm in die Nase. Er hatte keinen großen Appetit, doch die Wärme des Essens tat gut.

    Rund um den Tisch saßen andere Mitglieder des Widerstands – Männer und Frauen unterschiedlichen Alters, jeder von ihnen mit einer Geschichte voller Verlust und Hoffnung. Während Mitkael aß, lauschte er aufmerksam den Erzählungen über Arkadon.

    „Die Hauptstadt war früher ein Ort voller Leben,“ begann ein älterer Mann mit rauer Stimme. „Märkte, Feste, Musik auf den Straßen... bis der Krieg alles zerstörte.“

    Eine junge Frau fügte hinzu: „Viele von uns haben Angehörige verloren, als der Hof fiel. Doch die Hoffnung starb nie. Wir wussten, dass es irgendwo noch einen Thronfolger gibt.“

    Mitkael nickte schweigend, das Gewicht ihrer Worte lastete schwer auf seinen Schultern. Sie sprachen über Arkadon, als wäre es ein lebendiges Wesen – ein Wesen, das verletzt, aber nicht besiegt war.

    Kaelen beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, sagte jedoch nichts. Er schien zu wissen, dass Mitkael diese Geschichten hören musste, um zu verstehen, was von ihm erwartet wurde.


    Die Hoffnung eines Kindes


    Nach dem Essen entschied sich Mitkael, die Höhle, die als Unterschlupf der Überlebenden diente, zu erkunden. Der Raum war ein Gewirr aus Gängen und kleinen Kammern, jede vollgestopft mit Betten, Vorräten oder Kartenmaterial.

    Die Menschen, die ihm begegneten, hielten respektvoll Abstand. Ihre Augen folgten ihm, doch niemand wagte es, ihn direkt anzusprechen. Mitkael spürte ihre Blicke wie eine Last auf seiner Haut – nicht feindselig, sondern voller Unsicherheit. Sie wussten nicht, wie sie mit ihm umgehen sollten.


    Er ist der Prinz von Arkadon, flüsterte jemand.Der Thronfolger.


    Die Worte erreichten Mitkaels Ohren, und er fühlte sich plötzlich wie ein Fremder in seiner eigenen Haut. Diese Menschen sahen in ihm einen Prinzen, doch er wusste kaum, wer er selbst war.

    Plötzlich rannte ein kleiner Junge, kaum älter als fünf Jahre, um die Ecke. Er war so in Eile, dass er Mitkael übersah und direkt gegen ihn prallte. Der Aufprall war nicht stark, doch der Junge verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings zu Boden.

    Mit großen Augen sah der Kleine zu Mitkael auf, und seine Lippen begannen zu zittern. „E-Entschuldigung...“ stammelte er, bevor Tränen in seine Augen traten.

    Mitkael kniete sich sofort zu ihm herunter, seine Stimme wurde weich und beruhigend. „Hey, es ist alles in Ordnung. Du bist nicht verletzt, oder?“

    Der Junge schüttelte den Kopf, doch die Tränen liefen ihm über die Wangen. Mitkael lächelte sanft, zog ein sauberes Tuch aus seiner Tasche und wischte ihm die Tränen ab. „Weißt du, ich habe früher auch oft Leute angerempelt. Es passiert den Besten von uns.“


    Mitkael lächelte den kleinen Jungen sanft an und hielt ihm das Tuch hin. „Hier, das gehört jetzt dir. Vielleicht brauchst du es ja irgendwann nochmal.“

    Der Junge nahm das Tuch zögernd, seine kleinen Finger umklammerten den weichen Stoff. Seine Augen weiteten sich, als er den wertvollen Gegenstand betrachtete, und ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht.

    Bevor der Junge sich abwenden konnte, beugte sich Mitkael leicht vor und wuschelte sanft durch das dunkle Haar. „Lauf weiter, aber pass besser auf, wohin du gehst, ja?“ Seine Stimme war freundlich und voller Wärme.

    Der Junge kicherte leise, offenbar erleichtert, und nickte schnell. „Ja, das mach ich! Danke, Herr!“ Dann drehte er sich um und lief mit einem neuen, unbekümmerten Schwung in seinen Schritten davon, während er das Tuch stolz in der Hand hielt.

    Die umstehenden Menschen beobachteten die Szene mit stiller Bewunderung. Die zuvor spürbare Spannung war endgültig gewichen, ersetzt durch eine spürbare Nähe.


    Eine ältere Frau trat vor und sprach vorsichtig: „Ihr habt ein gutes Herz, Euer Hoheit. Wir wissen das zu schätzen.“

    Mitkael drehte sich zu ihr um und nickte leicht, ein nachdenklicher Ausdruck auf seinem Gesicht. Er hatte in diesem Moment nicht das Gefühl, ein Hoheitstitel würde ihn definieren. Er war einfach jemand, der helfen wollte – jemand, der suchte, wer er war und was er für diese Menschen sein konnte.

    Mit einem neuen Gefühl von Verbundenheit und einer leichten Müdigkeit in seinen Gliedern setzte er seinen Weg durch die Höhle fort. In seinem Inneren wuchs die Gewissheit, dass er sich nicht nur Arkadon, sondern auch den Menschen verschreiben musste, die ihr Leben und ihre Hoffnung an ihn knüpften.


    Nach seiner Begegnung mit dem Jungen wanderte Mitkael weiter durch die Höhle. Seine Gedanken waren schwer, doch sein Herz fühlte sich ein wenig leichter an. Die Wärme, die ihm die Menschen entgegenbrachten, begann sich langsam in ihm auszubreiten. Doch je länger er ging, desto mehr spürte er die Erschöpfung, die in seinem Körper wütete. Es war ein Gefühl, das er bisher verdrängt hatte, doch nun wurde es überwältigend.

    Kaelen fand ihn schließlich, an eine kühle Felswand gelehnt, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ihr müsst euch ausruhen, Mitkael. Ihr seid am Ende eurer Kräfte.“


    Mitkael nickte widerwillig. Er hatte das gleiche gespürt, wollte es sich jedoch nicht eingestehen. „Vielleicht hast du recht. Aber wo soll ich schlafen? Die Betten hier sind klein, und ich will nicht, dass jemand für mich Platz machen muss.“

    Kaelen lächelte schwach. „Darum müsst Ihr euch keine Sorgen machen. Wir haben etwas für Euch vorbereitet.“

    Mitkael folgte Kaelen durch die Höhlenwege, bis sie zu einer kleinen, abgetrennten Kammer gelangten. Drinnen stand ein Bett – das größte und weichste, das Mitkael seit seinem Erwachen gesehen hatte. Es war liebevoll hergerichtet mit Decken und Kissen, die trotz ihrer Schlichtheit einladend wirkten.

    „Das ist... nur für mich?“ fragte Mitkael, sichtlich überrascht.


    Kaelen nickte. „Ja. Ihr seid unser Prinz, unser Hoffnungsträger. Niemand würde es wagen, Euch woanders schlafen zu lassen.“

    „Ich wollte eigentlich bei den anderen liegen,“ murmelte Mitkael, fast schüchtern. „Ich bin nicht anders als sie.“

    Kaelen schüttelte den Kopf, seine Stimme fest, aber nicht unfreundlich. „Ihr seid mehr, Mitkael. Und auch wenn Ihr das nicht so seht – sie tun es. Sie brauchen Euch als Symbol. Und das bedeutet, dass Ihr euch erholen und stark bleiben müsst.“

    Mitkael war versucht zu protestieren, doch die Müdigkeit überwältigte ihn. Er seufzte leise und ließ sich schließlich auf das Bett sinken. Der weiche Stoff umarmte ihn, und für einen Moment schloss er die Augen, die Schwere seines Körpers wurde erdrückend.


    Kaelen blieb noch einen Moment in der Tür stehen, bevor er sie hinter sich schloss. „Ruht Euch aus, Mitkael. Morgen brauchen wir Euch in voller Stärke.“

    Mitkael drehte sich auf die Seite, seine Gedanken kreisten um die Menschen in der Höhle, um Fenric, um die Erinnerung und die Reise, die vor ihm lag. Trotz all dem spürte er, wie die Erschöpfung ihn langsam einholte, bis er schließlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.


    Die Gefahren der Nacht


    Die Nacht war still, bis auf das leise Rascheln des Windes, der durch die Bäume strich. Das Versteck schlief, die Menschen suchten Ruhe nach einem langen Tag. Doch nicht alle Augen waren geschlossen.

    Kaelen saß in der Dunkelheit der Höhle, wachsam wie ein Schatten. Seine Instinkte hatten ihn nie im Stich gelassen, und heute fühlte er diese vertraute Spannung – eine Ahnung von Gefahr, die in seinen Adern pulsierte. Er hörte die leisen, unregelmäßigen Schritte, das kaum wahrnehmbare Knarren von Leder und das gedämpfte Klirren von Metall.

    Ein Fremder war in die Höhle eingedrungen.


    Lautlos wie ein Jäger erhob sich Kaelen, ein Messer fest in seiner Hand, während er dem Geräusch folgte. Der Eindringling bewegte sich vorsichtig durch die schmalen Gänge, sein Ziel klar vor Augen: Mitkaels Kammer. Kaelen kannte diesen Weg, jede Unebenheit, jeden Schatten. Er ließ dem Fremden einen Vorsprung, bevor er sich ihm näherte.

    Der Spion erreichte die Tür zu Mitkaels Kammer und streckte eine Hand aus, um sie zu öffnen – doch bevor er dazu kam, spürte er kaltes Metall an seiner Kehle.

    „Keinen Laut,“ zischte Kaelen, seine Stimme war ein leises, gefährliches Knurren. Der Spion erstarrte, seine Hände hoben sich langsam in die Luft. „Ihr habt keine Ahnung, in wessen Höhle ihr euch geschlichen habt.“


    Kaelen drückte ihn gegen die Wand, seine Augen glühten vor Zorn. „Wir werden uns unterhalten – draußen.“

    Kaelen zerrte den Spion durch die Dunkelheit, weit genug entfernt vom Versteck, dass kein Geräusch sie verraten konnte. Schließlich erreichten sie einen alten Baum, dessen knorrige Äste wie krumme Finger in den Himmel ragten. Kaelen kettete den Spion an den Stamm, seine Bewegungen schnell und präzise.

    Der Spion, ein schlanker Mann mit wettergegerbtem Gesicht und durchdringenden Augen, versuchte, die Situation einzuschätzen. Doch er konnte Kaelens Entschlossenheit spüren.

    „Wer seid Ihr?“ Kaelens Stimme war eisig, jede Silbe triefte vor drohender Gewalt.


    Der Spion schwieg, doch Kaelen hatte keine Geduld für Stille. Er zog ein weiteres Messer und ließ es langsam über die Wange des Mannes gleiten, nur ein Hauch, aber genug, um die Botschaft klarzumachen.

    „Ihr habt Euch den falschen Ort ausgesucht, um einen Prinzen zu ermorden,“ sagte Kaelen mit einem bitteren Lächeln. „Ihr werdet sprechen, ob Ihr wollt oder nicht.“

    Der Spion spuckte aus, ein Zeichen von Trotz, doch Kaelen ließ sich nicht beeindrucken. „Nun gut,“ murmelte er, bevor er das Messer in die Schulter des Mannes stieß. Ein erstickter Schrei entwich dem Spion, und Kaelen legte die Hand über seinen Mund. „Leise,“ warnte er. „Keiner außer mir wird Euch hier hören.“


    Kaelen zog das Messer heraus, das Blut tropfte auf den Boden. „Noch einmal: Wer seid Ihr, und warum seid Ihr hier?“

    Der Spion kniff die Augen zusammen, der Schmerz brannte in seiner Schulter. Doch er gab nicht nach. „Ich bin nur ein Reisender,“ presste er hervor, doch Kaelen lachte kalt.

    „Ein Reisender, der zufällig eine Kammer ansteuert, in der unser Prinz schläft? Haltet mich nicht für dumm.“

    Kaelen verstärkte den Druck, seine Geduld schwand. „Ihr arbeitet für Thalamar, nicht wahr? Was ist Eure Mission?“

    Der Spion schwieg, und Kaelen nickte langsam. „Gut. Ihr wollt es also schwer machen.“


    Die Nacht verging in einer dunklen Abfolge aus Fragen, Schreien und Schweigen. Kaelen war gnadenlos, doch er war auch methodisch. Er wusste, wie weit er gehen konnte, ohne den Mann zu töten.

    Endlich, als der Spion zitternd und mit Blut bedeckt an den Baum gelehnt saß, gab er nach. „Ja,“ keuchte er. „Thalamar hat mich geschickt. Wir wissen, dass der Prinz lebt. Er will... er will, dass wir ihn zurückbringen.“

    Kaelen kniff die Augen zusammen. „Zurückbringen? Und dann?“

    „Er will ihn kontrollieren,“ flüsterte der Spion. „Er ist überzeugt, dass der Prinz... eine Waffe ist. Eine Waffe, die nur er führen kann.“

    Kaelens Herz zog sich zusammen, doch er ließ sich nichts anmerken. „Was wisst Ihr über die Taschenuhr?“ fragte er schließlich, seine Stimme leise, aber gefährlich.

    Der Spion schüttelte den Kopf. „Nichts. Nur Gerüchte. Aber Thalamar glaubt, dass sie der Schlüssel ist. Er glaubt... dass sie den Engel der Zeit zurückholen kann.“

    Kaelen zog sich langsam zurück, seine Gedanken rasten. Er wusste, dass er den Spion nicht am Leben lassen konnte – doch er konnte ihn auch nicht einfach verschwinden lassen, ohne Misstrauen zu erregen. „Das reicht für heute,“ murmelte er, bevor er sich zurücklehnte, um zu überlegen, was als Nächstes zu tun war.


    Kaelen stand vor dem Spion, die Klinge seines Messers immer noch in der Hand. Der Mann war von Blut, Schmutz und Schweiß bedeckt, seine Atmung flach und zitternd. Er erwartete den letzten Hieb – den Schlag, der ihn endgültig zum Schweigen bringen würde. Doch stattdessen steckte Kaelen die Waffe langsam zurück in seinen Gürtel.

    „Du bist frei,“ sagte er mit einem spöttischen Unterton.


    Der Spion hob den Kopf und blinzelte, sichtlich verwirrt. „Was?“ keuchte er. „Ihr wollt mich laufen lassen?“

    Kaelen nickte langsam, ein kaltes, spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. „Ja, du darfst gehen. Doch nicht aus Gnade. Weißt du, warum?“

    Der Spion zitterte unter dem Blick Kaelens, der ihn wie ein Raubtier fixierte. „Warum?“ fragte er, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

    Kaelen lehnte sich näher, seine Augen funkelten vor gefährlicher Belustigung. „Weil du deine Herren verraten hast, du Narr. Du hast mir alles erzählt. Glaubst du wirklich, Thalamar wird dir jemals wieder vertrauen? Glaubst du, er wird dir vergeben?“

    Der Spion schluckte schwer, die Worte trafen ihn wie ein Schlag.


    Kaelen ließ ein leises, bitteres Lachen hören. „Du bist jetzt ein Verräter in den Augen deines Meisters. Selbst wenn du es wagen solltest, zurückzukehren, wirst du nicht überleben. Dein Leben, so wie du es gekannt hast, ist vorbei.“

    Er trat einen Schritt zurück und öffnete die Ketten, die den Mann an den Baum gebunden hatten. „Willkommen in einem Leben, das nur aus Flucht besteht. Kein Ort wird sicher für dich sein, kein Verbündeter wird dir trauen. Und weißt du was?“ Kaelens Stimme wurde kälter. „Das ist genau das, was du verdienst.“

    Der Spion sank auf die Knie, seine Augen suchten Kaelens Blick, in dem Hoffnungslosigkeit und Angst aufloderten. Kaelen wandte sich ab, ohne ihm noch einen weiteren Blick zu schenken.

    „Verschwinde, bevor ich es mir anders überlege,“ sagte er leise, aber drohend.


    Der Spion starrte ihn einen Moment lang an, dann stolperte er hastig auf wackeligen Beinen davon, verschwand in der Dunkelheit des Waldes.

    Kaelen stand allein unter den knorrigen Ästen des Baumes, sein Blick in die Nacht gerichtet. Er wusste, dass der Spion nicht lange überleben würde, aber das war nicht mehr sein Problem. Die Informationen, die er erhalten hatte, waren entscheidend – doch sie brachten auch neue Gefahren mit sich.

    „Möge er spüren, was es heißt, mit uns zu spielen,“ murmelte Kaelen, bevor er sich umdrehte und zurück ins Versteck ging, wo Mitkael und die anderen noch immer schliefen.

    Der weg zum Versteck


    Mitkael folgte Kaelen durch die verwinkelten, verlassenen Straßen der verfallenen Stadt. Der Geruch von Moder und altem Stein lag in der Luft, doch je weiter sie sich entfernten, desto lebendiger wurde die Umgebung. Moos bedeckte die zerfallenen Wände, und in den Rissen des Pflasters spross frisches Grün. Die düsteren Gebäude wichen schließlich einem schmalen Pfad, der aus der Stadt hinausführte.

    Kaelen ging voran, seine Schritte leise, aber zielstrebig. Der Weg führte durch ein dichtes Gehölz, wo die Bäume dicht aneinander standen und die Blätter das Licht dämpften. Kaelen sprach mit ruhiger Stimme, doch in seinen Worten lag ein Gewicht, das Mitkael nicht ignorieren konnte.


    „Arkadon war einst ein prächtiges Land,“ begann Kaelen, ohne sich umzusehen. „Ein Reich, das für seine Stärke, seine Magie und seine Königsfamilie bekannt war. Euer Vater war ein gerechter und mächtiger Herrscher. Aber dann kam der Dämon.“

    Mitkael spürte, wie sich seine Brust zusammenzog. Das Wort allein jagte ihm einen Schauer über den Rücken, und er konnte sich die Zerstörung kaum vorstellen, die ein solches Wesen anrichten konnte.

    Kaelen fuhr fort, seine Stimme nun ein wenig heiser, als ob die Erinnerung selbst ihn belastete. „Der Dämon tauchte ohne Vorwarnung auf. Niemand weiß, woher er kam oder warum er uns ins Visier nahm. Er begann im Königsschloss. Innerhalb eines einzigen Tages war nichts mehr übrig als Schutt und Asche. Eure Familie...“ Kaelen hielt inne, als ob ihm die Worte schwerfielen. „Es hieß, niemand hätte überlebt.“


    Mitkael biss die Zähne zusammen, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Worte fühlten sich an, als ob sie in seine Brust einschlugen. „Und danach?“ fragte er, seine Stimme fast ein Flüstern.

    „Danach fiel die Hauptstadt“, antwortete Kaelen, sein Blick blieb fest nach vorne gerichtet. „Es war, als ob der Dämon alles niederreißen wollte, was Arkadon ausmachte. Er ließ keine Gebäude unversehrt, keine Straßen, keinen Stein. Und die Menschen...“ Kaelen hielt erneut inne, bevor er mit gesenkter Stimme hinzufügte: „Die Menschen starben. Fast alle. Nur wenige von uns konnten fliehen – Bauern, Händler, Soldaten. Wir sammelten uns in kleinen Gruppen und flohen in die Wildnis, in Länder jenseits von Arkadons Grenzen.“


    Mitkael atmete schwer. „Und niemand aus der Königsfamilie hat überlebt?“ fragte er schließlich, obwohl er die Antwort bereits ahnte.

    Kaelen schüttelte den Kopf. „Nicht, dass wir wüssten. Es hieß, dass der Dämon persönlich dafür gesorgt hat, dass niemand von eurer Familie entkommt. Eure Mutter, euer Vater, eure Geschwister...“ Kaelen hielt inne und warf Mitkael einen Blick zu, der Mitgefühl und Vorsicht zugleich ausdrückte. „Ihr müsst verstehen, Mitkael. Als wir flohen, glaubten wir, dass Arkadon für immer verloren war. Niemand erwartete, jemals einen Überlebenden der Königsfamilie zu finden – geschweige denn den Prinzen.“


    Mitkael schwieg. Die Worte Kaelens hallten in ihm nach, doch er konnte nicht begreifen, wie er überlebt haben sollte. Warum war er noch hier, wenn alle anderen tot waren? Wieso hatte ihn der Dämon verschont, oder hatte es einfach niemand bemerkt?

    Schließlich erreichten sie einen versteckten Eingang, der in einen sanften Abhang führte. Die Ranken und dichten Büsche, die den Zugang verbargen, gaben den Blick auf eine verborgene Höhle frei. Kaelen bückte sich und schob die Äste beiseite, während er Mitkael bedeutete, ihm zu folgen.

    Die Höhle war überraschend groß und mit provisorischen Fackeln erleuchtet, deren flackerndes Licht die steinernen Wände tanzen ließ. Der Raum war gefüllt mit provisorischen Unterkünften, ein paar schlichten Möbeln und Werkzeugen. Menschen schauten auf, als sie eintraten – Männer, Frauen, Kinder, ihre Kleidung abgenutzt, ihre Gesichter gezeichnet von einem Leben in ständiger Flucht.

    Kaelen wandte sich zu Mitkael. „Das ist alles, was von Arkadon geblieben ist“, sagte er leise. „Die Überlebenden – und ihre Kinder, und deren Kinder. Wir sind die zweite, vielleicht schon die dritte Generation, die im Exil lebt. Arkadon ist für uns nur eine Legende, ein Ort, den wir nur aus Erzählungen kennen.“


    Mitkael spürte, wie eine seltsame Mischung aus Schmerz und Schuld in ihm aufstieg. Diese Menschen hatten alles verloren, und doch waren sie hier, hatten überlebt und weitergelebt. Und er, ein Teil der Königsfamilie, hatte keine Erinnerung an das, was geschehen war, keine Antworten, keine Erklärungen.


    Das erwachen der Uhr


    Plötzlich begann die Taschenuhr in seiner Tasche zu glühen.Ein pulsierendes, grünliches Licht durchbrach die Dunkelheit. Mitkael hielt die Taschenuhr in der Hand, deren Oberfläche sanft glühte. Ein seltsames Kribbeln kroch über seine Haut, drang tief in seinen Körper ein, und er spürte, wie etwas in ihm erwachte – etwas Vertrautes, das dennoch unerreichbar blieb. Das Licht wurde intensiver, als die Welt um ihn herum zu verschwimmen begann.

    Plötzlich fand er sich auf einer weiten, sonnenbeschienenen Wiese wieder. Der Himmel war von einem tiefen Blau, und der Wind spielte mit den hohen Grashalmen, die sich wie eine unendliche grüne See bewegten. Mitkael konnte den Duft von Blumen und Erde riechen, konnte das sanfte Kitzeln des Windes auf seiner Haut spüren. Vor ihm stand ein gewaltiger Baum mit goldenen Blättern, die im Sonnenlicht wie kleine Flammen leuchteten.

    Unter dem Baum saßen zwei Jugendliche. Mitkael erkannte sie sofort – oder besser gesagt, er spürte, dass er sie kennen sollte. Einer von ihnen war er selbst, nur jünger, mit leuchtenden, grünen Symbolen, die auf seinen Armen tanzten. Neben ihm saß ein Junge mit dunklem Haar und warmen, sanften Augen. Fenric.


    Das Bild war so lebendig, so intensiv, dass Mitkael für einen Moment vergaß, dass er sich in einer Vision befand. Alles wirkte real – die Farben, die Gerüche, selbst das leise Lachen, das von den beiden Jungen kam.

    Als er genauer hinsah, bemerkte er etwas Ungewöhnliches. Die Symbole auf den Armen seines jüngeren Selbst leuchteten in einem gleichmäßigen, ruhigen Rhythmus, als würden sie im Einklang mit seinem Atem pulsieren. Doch zu seinem Erstaunen sah er, wie auch auf seinen eigenen Armen – in der Gegenwart – ähnliche Symbole erschienen. Sie schimmerten grünlich und leuchteten mit einer unregelmäßigen, zerrissenen Intensität, die nicht mit dem Takt der Erinnerung übereinstimmte. Das Licht auf seinen Armen fühlte sich fremd an, als würde etwas in ihm versuchen, sich zu erinnern, ohne es vollständig zu schaffen.


    In der Erinnerung begann der jüngere Mitkael zu sprechen. „Du bist so still,mein kleiner Wolf,“ sagte er mit einem leichten Lächeln, während er Fenric ansah. Seine Stimme war warm, vertraut und voller Zuneigung.

    Fenric warf ihm einen skeptischen Blick zu, doch ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Vielleicht träume ich davon, einen ruhigeren Freund zu haben,“ konterte er, doch seine Worte klangen spielerisch.

    „Einen ruhigeren Freund?“ Mitkael hob eine Augenbraue, setzte sich auf und sah Fenric direkt an. „Das kannst du vergessen. Du bist bei mir gestrandet, mein kleiner Wolf. Und ich lasse dich nicht so leicht gehen.“

    Fenric seufzte und schüttelte den Kopf, obwohl er sich das leichte Erröten seiner Wangen nicht verkneifen konnte. „Da ist er wieder,“ murmelte er. „Dieser Spitzname. Warum nennst du mich eigentlich so?“

    Der jüngere Mitkael zögerte, als würde er in Erinnerungen suchen. Dann rückte er näher zu Fenric, bis ihre Knie sich fast berührten. „Das habe ich dir nie erzählt, oder?“

    „Nein,“ erwiderte Fenric und sah ihn nun neugierig an. „Ich erinnere mich nicht, dass du es jemals erklärt hast.“

    Mitkael lächelte, und in seinen Augen lag eine Wärme, die tief aus seinem Inneren zu kommen schien. „Ich habe dich so genannt, als wir noch Kinder waren,“ begann er. „Die Arkadons werden oft die Wölfe genannt. Für uns ist der Wolf ein Symbol für Stärke, Zusammenhalt und Familie. Und damals...“ Er hielt inne, sein Lächeln wurde weicher. „Damals wollte ich dir zeigen, dass du zu meiner Familie gehörst.“

    Fenric blinzelte, sichtlich überrascht. „Zu deiner Familie?“


    Der Blonde nickte langsam. „Du warst für mich nie nur ein Freund, Fenric. Du warst immer mehr. Und ich wollte, dass du dich nie allein fühlst – so wie ich es manchmal getan habe.“

    „Allein?“ Fenrics Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Aber du hattest doch alles. Du bist... du bist derjenige, den alle bewundern. Du bist stark, mutig, selbstbewusst.“

    Ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen des Blonden. „Und doch war ich oft allein. Zumindest, bis du in mein Leben getreten bist.“ Er legte eine Hand auf Fenrics, und die Berührung war wie ein sanfter Stromstoß. „Du hast etwas in mir geweckt, Fenric. Etwas, das ich nie verloren geben wollte. Deshalb habe ich dich meinen kleinen Wolf genannt. Weil ich dich bei mir behalten wollte – für immer.“

    Die Worte hingen in der Luft, und Fenric suchte nach einer Antwort, doch es schien, als hätte die Bedeutung der Worte ihn stumm gemacht. Schließlich war es Mitkael, der die Stille durchbrach. Er lehnte sich vor, legte sanft eine Hand auf Fenrics.

    „Weißt du, warum ich dich liebe, Fenric?“ fragte er leise, seine Stimme fast ein Flüstern.

    Fenric schluckte, seine Augen suchten Mitkaels Gesicht. „Warum?“


    „Weil du mich siehst,“ sagte Mitkael. „Nicht nur als Prinz, nicht nur als Krieger. Du siehst mich – den echten Mitkael. Und in deinen Augen bin ich genug.“

    Fenric öffnete den Mund, doch keine Worte kamen heraus. Stattdessen griff er nach Mitkaels Hand und hielt sie fest. „Du bist genug,“ sagte er schließlich, seine Stimme rau vor Emotion. „Du warst es immer.“

    Mitkael lächelte, zog Fenric in eine Umarmung und flüsterte: „Und deshalb werde ich dich nie loslassen. Du bist mein kleiner Wolf, Fenric. Ein Teil von mir.“

    In diesem Moment begann das Leuchten der Symbole auf Mitkaels Armen in der Gegenwart noch stärker zu flackern, doch die Unregelmäßigkeit blieb. Es war, als würde ein Teil von ihm die Verbindung zur Erinnerung verzweifelt suchen, ohne sie vollständig erreichen zu können.


    Die Szene verblasste langsam, wie Tinte, die im Wasser verläuft. Mitkael wollte die beiden zurückrufen, wollte mehr hören, mehr verstehen, doch die Realität drängte sich in sein Bewusstsein.

    Er keuchte und fand sich wieder in der Dunkelheit, die nur vom schwachen Glühen der Taschenuhr erhellt wurde. Seine Brust hob und senkte sich schwer, und eine einzelne Träne rollte seine Wange hinunter.

    „Mitkael?“ Kaelens Stimme riss ihn aus seiner Starre. „Was ist geschehen?“


    Mitkael blickte auf die Uhr, die nun wieder dunkel war, und spürte das Brennen der Erinnerung tief in seiner Seele. „Ich habe Fenric gesehen,“ flüsterte er. „Oder vielmehr – ich habe uns beide gesehen. Damals.“

    Kaelen musterte ihn mit ernster Miene, als könnte er spüren, wie sehr diese Erinnerung Mitkael erschüttert hatte. „Und was habt Ihr gesehen?“

    Mitkael sah auf, sein Blick noch immer in die Ferne gerichtet. „Er war alles für mich,und ich wusste das damals genauso wie jetzt.” Sprach Mitkael traurig. “Ich weiß nicht, wer ich bin,“ flüsterte er schließlich, seine Stimme voller Schmerz und Sehnsucht. Kaelen sah ihn an, doch diesmal sagte er nichts. Es gab keine Worte, die diese Wunde heilen konnten.


    Kaelen schwieg, seine Augen suchten Mitkaels Gesicht, als würde er versuchen, die Tiefe seiner Gefühle zu ergründen. „Und die Symbole?“ fragte er schließlich.

    Kaelen blickte auf seine Arme, doch die Symbole waren verschwunden. „Sie waren da,“ murmelte er, kaum hörbar. „Auf seinen Armen... und auf meinen. Für einen Moment.“



    Kaelen ließ einen Moment verstreichen, bevor er Mitkael sanft am Arm berührte. „Wir sollten weitergehen,“ sagte er leise. „Der Älteste wird wissen, was wir tun können. Vielleicht findet Ihr dort die nächsten Antworten.“

    Der lauernde Schatten

    Ein Dunstschleier aus purpurnem Licht durchzog die Kammer und flackerte geheimnisvoll an den Rändern der gewaltigen Steinsäulen, die den Thronsaal von Selvanor stützten. Hohe Fenster, aus dunklem Glas gefertigt, ließen das fahle Licht des Morgens kaum hindurch, sodass die Schatten im Raum wie lebendige Wesen wirkten.

    Thalamar der Finstere, König von Selvanor, saß auf seinem Thron aus geschwärztem Obsidian. Seine Gestalt war groß und hager, der tiefviolette Umhang umhüllte ihn wie ein Fluss aus Dunkelheit. Seine goldenen, raubtierhaften Augen ruhten regungslos auf dem Magier vor ihm.

    Der Magier, gehüllt in einen schwarzen, mit Runen bestickten Mantel, verneigte sich tief. Er war Morgath, ein Kenner verborgener Mächte und alter Siegel. Als er den Kopf hob, schimmerten die goldenen Runen auf seiner Stirn schwach im Licht der magischen Flammen.

    „Eure Hoheit“, begann Morgath, seine Stimme hallte durch die Stille. „Unsere Grenzpatrouillen haben eine Veränderung gespürt. An der nördlichen Grenze wurde ein mächtiges Siegel gebrochen. Ein solches Ereignis... es könnte auf eine Präsenz hinweisen, die lange verborgen war.“

    Thalamar ließ die Finger leise auf die Armlehne seines Throns trommeln, ein rhythmisches Geräusch, das die Anspannung im Raum verstärkte. „Eine Präsenz?“ Seine Stimme war tief und von einer Kälte durchdrungen, die Gänsehaut hervorrief. „Welche Präsenz, Morgath?“

    Der Magier zögerte einen Moment. „Es ist schwer zu sagen, mein König, aber die Spuren sind ungewöhnlich... sie ähneln denen des Königshauses von Arkadon.“

    Ein Schatten von Interesse huschte über Thalamars Gesicht, gefolgt von einem finsteren Lächeln. „Das Königshaus von Arkadon“, murmelte er, als spräche er zu sich selbst. „Schickt die Spione. Ich will wissen, wem diese Präsenz gehört und was sie in Bewegung setzt. Findet alles heraus, bevor Arkadon selbst davon erfährt.“

    Morgath verneigte sich erneut, bevor er sich abwandte und in den Schatten verschwand. Die Flammen an den Wänden loderten auf, als würde das Schloss selbst den Befehl des Königs vernehmen und seine Jagd beginnen.

    Von diesem Moment an war klar, dass Selvanor eine alte Gefahr und zugleich eine neue Chance witterte. Und Mitkael, der dritte Prinz von Arkadon, ahnte nicht, wie viele Blicke sich bald in den Schatten auf ihn richten würden.


    Die erste Begegnung


    Mitkael zog den abgenutzten Mantel enger um seine Schultern, während er durch den unheimlichen Wald schritt. Seine Gedanken waren wie Nebel, trüb und zersplittert. Seit dem Erwachen aus dem Koma hatte ihn das dumpfe Gefühl der Leere begleitet, ein stetes Pochen der Ungewissheit in seinem Inneren. Wer war er gewesen, bevor ihn das Schicksal in die Dunkelheit riss? Die Bäume um ihn herum wirkten wie Wächter, alte Giganten, die seinen Zweifel erahnten und ihn in Schweigen beobachteten.

    Er kämpfte sich weiter durch das Wurzelgeflecht, das wie Fallen aus dem Boden ragte. Mit jedem Schritt spürte er den Druck des Unbekannten – nicht nur des Waldes, sondern seines gesamten Seins. Er fühlte sich wie ein Schauspieler ohne Drehbuch, verloren in einem Stück, dessen Titel er nicht kannte.

    Als der Wald sich vor ihm lichtete, weiteten sich seine Augen. Eine Stadt tauchte in der Ferne auf, fremd und verfallen. Die Mauern, die einst Stärke und Sicherheit vermittelt haben mochten, waren nun durchzogen von Rissen, die wie alte Wunden wirkten. Dächer sanken ein, Fenster gähnten leer, und der Geruch von Moder lag in der Luft. Mitkael schritt durch das Stadttor, das bei jeder Bewegung leise knarrte, als ob es von Geistern geflüstert würde.

    Alles an diesem Ort war ihm fremd, eine neue Bühne seines Lebens, das ihm so sehr entglitten war. Kein Funke der Erinnerung, kein Gefühl des Vertrauten regte sich in ihm. Das einzige, was blieb, war die bohrende Unsicherheit und das Gewicht seiner eigenen Fragen.

    Mitkaels Atem ging schwer, während er durch die Straßen der verlassenen Stadt schritt. Die Verwirrung über seine Identität und der Schmerz des Nichtwissens zogen sich wie ein Knoten durch seine Brust. Jeder Schatten schien ihn zu verspotten, als würde er den Prinzen erkennen, den er selbst nicht kannte. Ein leises Rascheln in seinem Rücken ließ ihn innehalten. Instinkt und Anspannung verschmolzen zu einer Reaktion: Er drehte sich um und zog sein Schwert in einer Bewegung, die so geschmeidig war, als hätte er sie unzählige Male geübt.

    Der Fremde, der aus den Schatten trat, trug einen schweren schwarzen Mantel, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Ohne Vorwarnung stürzte er sich auf Mitkael, und das metallische Kreischen der Klingen brach die Stille. Die Schwerter trafen in einer Serie schneller Schläge aufeinander, die Hände beider Kämpfer führten ihre Waffen mit geübter Präzision. Doch etwas an der Art, wie der Fremde kämpfte, löste ein seltsames Gefühl in Mitkael aus – ein Gefühl von Vertrautheit.

    Mit einem weiteren Schlag parierte Mitkael den Angriff des Gegners und konterte, bevor er selbst die Bewegung bewusst plante. Sein Körper reagierte von allein, als ob er diesen Stil, diese Abfolge, schon unzählige Male gesehen und bekämpft hätte. Der Fremde stutzte, seine Augen blitzten unter der Kapuze hervor, als erkannte er dieselbe Vertrautheit in Mitkaels Reaktion.

    Ein Schimmer von Verwirrung, dann ein leises Aufkeimen von Zorn durchzog Mitkael. Wer war dieser Mann? Warum fühlte es sich an, als könnte er gegen einen Spiegel seines eigenen Kampfstils kämpfen? „Wer seid Ihr wirklich?“, keuchte er, die Klinge nur Zentimeter von der Kehle des Fremden entfernt.

    Ein Lächeln, halb überrascht, halb anerkennend, erschien auf den Lippen des Fremden. Er ließ sein Schwert fallen, das metallisch zu Boden klirrte, und hob langsam die Hände. „Ihr habt es nicht vergessen, auch wenn ihr glaubt, es zu haben“, flüsterte er.

    Mitkael zögerte, seine Hand umklammerte das Schwert, während seine Gedanken wirbelten. Der Mann hob die Kapuze und offenbarte ein Gesicht, das vertraut und doch fremd wirkte. „Ich wollte sehen, ob Ihr noch der seid, der Ihr einmal wart. Und ich musste wissen, ob das Herz des wahren Mitkael, des Prinzen von Arkadon, noch in euch schlägt.“

    Mit einem leisen Seufzen ließ Mitkael das Schwert sinken. Er fühlte sich erschöpft, innerlich zerrissen zwischen der Angst vor dem Unbekannten und der Hoffnung, ein Stück seiner verlorenen Vergangenheit zu finden. Der Fremde – Kaelen, wie er sich nannte – beobachtete ihn mit prüfendem Blick und griff dann in seinen Mantel. Er zog eine Kette hervor, an der das Symbol von Arkadon glänzte, das Symbol seiner königlichen Linie.

    „Kommt mit mir, Mitkael. Es gibt vieles, was Ihr wissen müsst“, sagte Kaelen, seine Stimme war fest und dennoch von einer seltsamen Sanftheit durchzogen. Widerwillig, aber von einem inneren Drang getrieben, folgte Mitkael ihm durch die düsteren Straßen, die von Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit flüsterten.

    Hey Timo, es freut mich dich auf dem Server zu begrüßen. Ich wünsche dir viel Spaß und solltest du fragen haben, oder mal Hilfe brauchen, kannst du dich gerne jeder Zeit melden, es sind eigentlich alle sehr Hilfsbereit.

    Gierig bist du erst, wenn dein Claim größer als jedes Herrschaftsgebiet zusammen ist. Deshalb mach dir darum erstmal keine Gedanken, solange dein Claim nicht abartig groß ist und du ihn rechtfertig kannst, ist alles entspannt. 😂

    Hey,

    ich würde hiermit gerne Taranto zum Fürsten aufstellen, er hat ein interessantes Großprojekt und auch eine interessante Geschichte. Er ist zudem eine sehr zuvorkommende Person und bestimmt eine gute Ergänzung für den Kreis der Fürsten.

    Hey, mal eine dumme Frage, würdet ihr euch noch mehr minispiele Wünschen so zur Belustigung oder findet ihr das ist nicht angebracht und verfehlt ein mein Projekt?

    Ich habe ein kleines Spiel neben dran gebaut, die reine Idee ist von einem Instagram Post (Aber wirklich nur die Idee, die Umsetzung des Spielfeldes, der Blöcke und der Redstone-Mechanik ist von mir) Das ist eine Art wer bin ich nur mit Blöcken, ein Regelwerk werde ich noch bald daneben stellen, aber an sich dürfte das selbst erklärend sein. Das Spiel steht jeder Zeit offen, falls euch langweilig ist. Natürlich dürft ihr mir gerne Feedback zum Spiel geben und vor allem der Blockauswahl.

    Wird jetzt auch mal Zeit das ich mein "Nebenprojekt" vorstelle. Arkadon beschreibt hier mein Herrschaftsgebiet (Ist aber nicht mein Großprojekt), welches sich grob in 5 Bereiche Unterteilen lässt.


    Blau: Der Palast der Königsfamilie Arkadon (Mit Repräsentation der Zwei Gottheiten, bekommt auch noch eine eigene Story)

    Rot: Ist ein Dorf im Kirschblüten Wald von Arkadon

    Schwarz: Ist die Hauptstadt von Arkadon

    Grün: Ist die Hafenstadt (Hier wird eine künstliche Bucht angelegt)

    Gelb: Das soll die Zitadelle der Zeit sein (Warum ich sie baue? Weil mir langweilig war als ich damit angefangen habe)



    Arkadon ist ein Land in dem zwei Gottheiten und die Engel verehrt werden. Es wird sich mit der Zeit weiter entwickeln und was ich jetzt wirklich umsetze und was nicht steht noch nicht fest und kann auch gut sein das ich meine Pläne komplett über Bord werfe. Der Post hier soll mir auch als Checkliste dienen und vor allem als Erinnerung was ich mir wobei gedacht habe und was meine Pläne waren.

    Meine Freunde des Darmes und der großen Liebe, ich und Arckitca sind dabei ein Theater zu bauen und ein Stück darin aufzuführen. Das Stück was wir ausführen wollen ist die kalte Tragödie des Nordens welches die ewige Liebe zwischen eines Hochmagiers und seinem Magier den er Selbs ausgebildet hat. Deshalb sind wir auf der Suche nach Schauspielern um das zu verwirklichen. Weitere Informationen folgen noch.

    ps. jeder Zusammenhang mit echten Personen und Beziehungen (die die beiden einfach abstreiten und verleugnen) ist beabsichtig

    1.Das Wort von mir und Arctika ist endgültig und steht über den hier verfassten Regeln und beinhaltet auch, sofern es allgemeine Regeln sind, die Kraft diese zu umgehen. Im Notfall wird das auch mit Gewalt umgesetzt.


    2. Prinzipiell besteht für keinen Spieler, der vorher nicht verwarnt oder verbannt wurde, keine Gefahr. Solange er sich an die Regeln hier hält.


    3. Jeder Spieler, der ohne ausdrückliche Erlaubnis meinen Tempel betritt vor dem die Zwei Wölfe stehen, wird für eine Bedrohung angesehen. Da hier mein Lager und meine Farmen sind. Es wird eine Warnung ausgesprochen.


    4. Das Töten nicht feindlicher Mobs führt zum eigenem Tod und der Verbannung aus Arkadon.


    5. Das Ausnutzen der Regeln, gelte es für allgemeine Serverregeln noch für die hier verfassten Regeln, wird auch bestraft.


    6. Verbündete von Arkadon sind jeder seit Herzlich Willkommen und dürfen sich an freien Feldern und Farmen bedienen solange sie dafür sorgen das die Farm und Felder so verlassen werden wie sie aufgefunden wurde.



    Verbündetet Spieler: Arctika


    Verbannte Spieler: Shiro1984,

    Ich freue mich sehr das ich jetzt verkünden darf, das die 20 Kammer erreicht wurden. Jeder Spieler der unter den 21 ersten Spieler ist bekommt seine Belohnung, 21 Spieler weil die letzten zwei Kammern gleichzeitig belegt wurden. Hier ist eine Liste die ich aktuell halte damit jeder der einen bekommt sich diesen auch abholen kann.
    Yoshi <3 , Kan <3 , Royd <3 , Chem <3 , Wacker, Ignes, Luna <3 , Amadeus <3 , Arctika <3 , Antarias, Kuchi, Laresnord, bdbdab, Street, Whiti, Archy, Locke und Bot <3


    Das Herz bedeutet die Person hat die Blöcke bekommen/oder zumindest sie angeboten bekommen