Ytheldin - die Zuflucht der Verlorenen Seelen
Kapitel 1 - Die WĂ€chterin und die Erbauerin
Sie galt als eine der Ăltesten ihrer Art. Jahrtausende lang hatte sie die Welt durchstreift und nun wurde sie mĂŒde. Sie suchte nach einem Ort, an dem sie bleiben konnte. Einem Ort, den sie ihre Heimat nennen könnte. Doch nichts rief das GefĂŒhl hervor, das ihr immer beschrieben worden war. Diese tiefe Zugehörigkeit, die alle ihrer Art spĂŒrten, wenn sie ihren Hort fanden.
Sie hatte viele andere getroffen, sowohl Ăltere als auch JĂŒngere, die bereits ihren Hort gegrĂŒndet hatten. Sie hatte niemals bleiben können. Sie war ohne Hort, ihre FlĂŒgel waren falsch, ihre Schuppenfarben sowieso. Solche wie sie wurden nicht mehr geboren seitdem ihr Vater den Verstand verloren hatte und alle Gelege seines Clans auslöschte. Sie waren nie besonders viele gewesen, doch die erwachsenen Weibchen hatten sich verbĂŒndet und versucht, ihn aufzuhalten. Und jetzt war nur noch sie ĂŒbrig.
Ihre Gedanken schweiften, als sie ĂŒber eine weite Seenplatte auf einen Birkenwald zu flog, unter ihr sangen Vögel. Kurzerhand beschloss sie, die Gelegenheit zu nutzen, um sich ein wenig im Wasser des nĂ€chsten gröĂeren Sees abzukĂŒhlen. Sie ging in den Sinkflug und tauchte ins Wasser. Als sie wieder auftauchte, fragte eine schneidende Stimme. âMusste das unbedingt sein?â
Ein MĂ€dchen stand am Ufer des Sees. Sie trug ein weiĂes Wams mit goldenen Schulterteilen und SĂ€umen. Darunter trug sie einen einfachen metallenen Brustschutz. Bis zu den Ellbogen reichten ihr schwarze Handschuhe und sie hatte kniehohe schwarze Stiefel mit goldenen Riemen und Schnallen. Ihre Hose war so kurz, dass sie gerade mal ihren Hintern bedeckte. Hellbraunes Haar mit schneeweiĂen Spitzen reichte ihr bis zur HĂŒfte. Ihre Augen waren blau und ĂŒberrascht bemerkte die Ălteste die Katzenohren, die durch die Haare stachen und in diesem Moment wĂŒtend angewinkelt waren. Eines war weiĂ, das andere schwarz. Ein schwarzer Katzenschwanz mit weiĂer Spitze zuckte hinter ihren Beinen hin und her.
Das MĂ€dchen stemmte die HĂ€nde in die HĂŒften. âVielleicht solltest du das nĂ€chste Mal schauen wo du bist, bevor du einfach so in mein Mittagessen eintauchst.â, fauchte sie und funkelte sie an.
Ja, sie fauchte definitiv. Und ihre EckzÀhne waren zu FangzÀhnen verlÀngert.
Sie duckte den Kopf und sah, was das MĂ€dchen meinte. Fische tummelten sich in dem See, sie waren aufgeregt davon geschwommen, als sie eingetaucht war. Nur langsam trauten sie sich wieder hervor und schwammen in Richtung ihrer Beine. âEntschuldige.â, sagte sie. Mit einer Bewegung ihres eigenen Schwanzes verursachte sie eine kleine Welle, die zwei Fische an Land warf.
Das MĂ€dchen bekam groĂe Augen und war mit zwei groĂen Schritten dort. Sie schnappte sich die Fische und hielt sie in den HĂ€nden. Dann seufzte sie. âSchon in Ordnung, schĂ€tze ich. Wo bist du ĂŒberhaupt hergekommen? Gibt nicht viele Drachen hier in der Gegend.â
Sie zuckte mit den Schultern. âIch bin auf einer Reise.â
âUnd wohin?â, fragte das MĂ€dchen.
âDas weiĂ ich, wenn ich da bin.â, antwortete sie.
Das MĂ€dchen schnaubte, doch die sanfte Bewegung ihres Schwanzes zeigte diesmal eher Belustigung als Ărger. âAuch ne Möglichkeit. Aber du solltest dir besser ne Bleibe fĂŒr die nĂ€chste Nacht suchen. Es wurde n groĂer Sturm prophezeit. Ich glaub kaum, dass du in dem weiterfliegen willst.â
Sie hob den Kopf und sah in den Himmel. âEs ist vollkommen klar.â
Das MĂ€dchen lachte auf. âGlaub mir, die Magier hier liegen niemals falsch.â
Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich dem MĂ€dchen wieder zu. âWĂŒsstest du einen Ort?â
Die legte den Kopf schief. âMein Haus ist nicht weit. Aber du bist zu groĂ dafĂŒr.â
Sie lachte leise und schloss kurz die Augen, um ihre eigene Magie zu rufen. Als sie sie wieder öffnete, musste sie nach oben schauen, um das MĂ€dchen anzuschauen. âUnd jetzt?â
Das MĂ€dchen blinzelte. âJetzt gehtâs. Wow. Ich wusste nicht, dass Drachen sowas können.â
Sie zuckte mit den Schultern und machte einen Satz auf die Schulter des MĂ€dchens. âEin Vorteil des Alters.â Dann schwieg sie einen Moment, wĂ€hrend sie sich von dem KatzenmĂ€dchen durch den lichten Wald tragen lieĂ. âWie heiĂt du, MĂ€dchen?â
Das MĂ€dchen sah sie an, ein Schmunzeln spielte um ihre Lippen. âLyndis. Und du?â
âMan nennt mich Alathea.â
In diesem Moment tauchte ein Haus mit tĂŒrkisem Dach direkt vor ihnen auf. âNun, Alathea willkommen in meinem Heim.â, sagte Lyndis und wies mit einer ausschweifenden Geste auf das GebĂ€ude. âEs ist nicht viel, aber ich habe es gebaut. Und ich bin stolz darauf.â
Alatheaâs Mund klappte auf. âDu hast das selbst gebaut?!â
âMhm.â Lyndis nickte. âMein Pa war gut darin, Sachen zu bauen. Als Gestaltwandler-Panther konnte er auch gut an den BĂ€umen hochklettern. Ich hab das von ihm geerbt glaub ich.â
âUnd deine Mutter? Du siehst nicht aus wie eine Pantherin.â, sagte Alathea.
Lyndisâ LĂ€cheln wurde melancholisch. âWeil ich keine bin. Ich bin ein Halbblut, meine Ma war eine Meereselfe. Von ihr hab ich das Temperament.â
Alathea klappte den Mund ein paar mal auf und wieder zu. âElfen mögen keine HalbblĂŒter.â, murmelte sie dann.
Lyndis hob eine Augenbraue. âGenausowenig mögen Drachen die ausgestorbenen Schwarzen.â
Alathea konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. âDas ist wahr.â In diesem Moment schoss ein GefĂŒhl von WĂ€rme durch Alathea und sie richtete sich steil auf. Ihr Blick fixierte sich auf ein ungewöhnlich groĂes Samenkorn nicht weit von ihnen, das ĂŒber einer kleinen Insel in dem See platziert war, an zwei Seilen hĂ€ngend. âWas ist das, Lyndis?â, fragte sie und zeigte mit einer Klaue darauf.
Lyndis folgte ihrem Klauenzeig und lĂ€chelte fein. âEin Geschenk meiner Tante. Er war grade mal so groĂ wie meine Faust, als ich hierher gekommen bin. Ich bin mir relativ sicher, dass sie ihn gestohlen hat.â
Alathea sah das Samenkorn noch einmal genauer an. âDas⊠das ist ein Lebensbaum.â, flĂŒsterte sie.
Lyndis nickte. âMhm. Ma sagte, dass er Ytheldin heiĂt, als sie und Tante Yve mich aus der Stadt geschafft haben. Er wird andere Verlorene Seelen wie mich anziehen, meinten sie.â
Alathea grinste sie an. âNun, er hat mich angelockt.â
26.08.21 Editiert, um Umzug in neues Biom zu respektieren.
Lyndis' Haus (Bild noch bei Styx entstanden)
